Rz. 34
Wirkt der Anwalt bei einer gerichtlichen Einigung im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens mit, erhält er eine 1,0 Gebühr gemäß Nr. 1003 VV RVG. Der Gegenstandswert ist hier der Wert der rechtshängigen Ansprüche. Für die grundsätzlichen Erwägungen siehe § 3 Rdn 21 ff.
Rz. 35
Der Anwalt kann im gerichtlichen Verfahren jedoch auch noch eine 1,5 Gebühr nach Nr. 1000 VV RVG verdienen, wenn im Gerichtsverfahren zusätzlich nicht rechtshängige Ansprüche mit verglichen werden. Die Berechnung der Gebühr erfolgt dann nach dem Wert der nichtrechtshängigen Ansprüche.
Die Gebühren nach den Nrn. 1000 und 1003 VV RVG stehen dann nebeneinander. Sie dürfen jedoch nicht höher sein als eine 1,5 Gebühr nach dem zusammengerechneten Wert. Für den Fall, dass mehrere Gebührensätze aufeinandertreffen, bedarf es einer Prüfung von § 15 Abs. 3 RVG.
Rz. 36
Mit dem Kostenrechtsänderungsgesetz hat der Gesetzgeber zudem klargestellt, dass in allen Fällen, in denen dem Rechtsanwalt eine Einigungs- oder Erledigungsgebühr zusteht, auch bei einem privatschriftlichen Vergleich, die fiktive Terminsgebühr entsteht, wenn diese Einigung oder Erledigung in einem Verfahren erfolgt, für welches die mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist.
In der ordentlichen Gerichtsbarkeit war bisher anerkannt, dass für den Anfall der Terminsgebühr auch ohne Terminswahrnehmung ein privatschriftlicher Vergleich genügt und eine gerichtliche Protokollierung oder eine Feststellung nach § 278 Abs. 6 ZPO nicht erforderlich ist. Dies hat der BGH zuletzt bestätigt:
Zitat
"Für die Terminsgebühr nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 Var. 3 VV RVG genügt der Abschluss eines außergerichtlichen schriftlichen Vergleichs; nicht erforderlich ist, dass der Vergleich protokolliert oder sein Zustandekommen gem. § 278 Abs. 6 ZPO seitens des Gerichts festgestellt wird."
Rz. 37
Weiterhin hat der BGH in seinem Beschluss klargestellt, dass eine Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG auch auf einen schriftlichen Vergleich im einstweiligen Verfügungsverfahren anwendbar ist, da hier der Grundsatz der Mündlichkeit gilt, § 128 Abs. 1 ZPO.
Zitat
"(...) Richtig ist zwar, dass eine mündliche Verhandlung dann nicht "vorgeschrieben" i.S.d. Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 RVG VV ist, wenn das Gericht nach seinem Ermessen aufgrund mündlicher Verhandlung durch Urteil oder ohne eine solche durch Beschluss entscheiden kann. Ein solches Ermessen ist dem Gericht im einstweiligen Verfügungsverfahren aber grundsätzlich nicht eingeräumt. Anders als beim Arrest, der gem. § 922 Abs. 1 ZPO aufgrund freigestellter mündlicher Verhandlung ergeht, gilt im einstweiligen Verfügungsverfahren der Grundsatz der Mündlichkeit gem. § 128 Abs. 1 ZPO. Die Regelung des § 922 Abs. 1 S. 1 ZPO, die dem Gericht ein Ermessen zwischen Urteils- und Beschlussverfahren lässt, ist im einstweiligen Verfügungsverfahren nicht anwendbar. Die Verweisung des § 936 ZPO auf die Arrestvorschriften wird insoweit durch die Regelung des § 937 Abs. 2 ZPO verdrängt. (...)"
Rz. 38
Insbesondere in der Sozialgerichtsbarkeit, aber zum Teil auch in der Verwaltungsgerichtsbarkeit, wurde die Auffassung vertreten, dass für den Anfall einer Terminsgebühr bei dem Abschluss eines schriftlichen Vergleichs erforderlich sei, dass der Vergleich unter Mitwirkung oder auf Veranlassung des Gerichts geschlossen wird. Die unterschiedliche Handhabung in den Gerichtsbarkeiten wird durch die Neufassung von Nr. 3104 und Nr. 3106 VV RVG beendet. Beispielsweise heißt es in Nr. 3104 VV RVG seit dem 1.1.2021:
(1) Die Gebühr entsteht auch, wenn
1. in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien oder Beteiligten oder gem. § 307 oder § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung entschieden oder in einem solchen Verfahren mit oder ohne Mitwirkung des Gerichts ein Vertrag i.S.d. Nr. 1000 geschlossen wird oder eine Erledigung der Rechtssache i.S.d. Nr. 1002 eingetreten ist,“
Bereits vor dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung hat das OVG Berlin-Brandenburg unter Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung zum Kostenrechtsänderungsgesetz seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben und der Beschwerde eines Erinnerungsführers stattgegeben, wodurch in dem Fall eine Terminsgebühr entstand.