a) Anknüpfung an § 22 Abs. 2 S. 1 WEG a.F.
Rz. 37
Anders als die grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage knüpft der Gesetzgeber bei der unbilligen Benachteiligung einzelner Wohnungseigentümer bewusst an § 22 Abs. 2 S. 1 WEG a.F. an. Dass der Begriff der Beeinträchtigung durch denjenigen der Benachteiligung ersetzt wurde, habe lediglich sprachliche Gründe. Im Übrigen gibt der Gesetzgeber zur unbilligen Benachteiligung weitere Ansatzpunkte einer Definition, die allerdings über diejenigen in Zusammenhang mit § 22 Abs. 2 S. 1 WEG a.F. nicht hinausgehen und auch nur begrenzt praxistauglich sind.
b) Durch die bauliche Veränderung nicht ausgeglichene Nachteile
Rz. 38
Nach der Gesetzesbegründung setzt eine unbillige Benachteiligung zunächst voraus, dass ein Miteigentümer durch die bauliche Veränderung Nachteile erleidet, die durch die mit ihr verfolgten Vorteile nicht ausgeglichen werden. Dieses Tatbestandsmerkmal erfüllt nur bei baulichen Veränderungen der Wohnungseigentümergemeinschaft eine nennenswerte Abgrenzungsfunktion. Denn bauliche Veränderungen zugunsten einzelner Wohnungseigentümer bezwecken regelmäßig keinen Vorteil der übrigen Wohnungseigentümer. Hier können Nachteile zulasten einzelner Wohnungseigentümer bestimmungsgemäß nicht durch Vorteile aufgewogen werden, die mit der baulichen Veränderung verbunden sind. Folglich ist die Nachteilszufügung hier immer zu bejahen. Bei gemeinschaftsnützigen baulichen Veränderungen sind dagegen Vor-und Nachteile für den einzelnen Wohnungseigentümer abzuwägen. Dies erscheint sinnvoll. Denn die Treuepflicht der Wohnungseigentümer gebietet es einerseits, Vorteile der Mehrheit nicht auf dem Rücken einzelner Wohnungseigentümer zu erwerben, andererseits, geringfügige Nachteile einzelner Wohnungseigentümer bei großem Vorteil aller hinzunehmen.
c) Subjektiver oder objektiver Maßstab?
Rz. 39
Im Ergebnis ist somit eine Abwägung vorzunehmen, ob die Vorteile der baulichen Veränderung die damit für den einzelnen Wohnungseigentümer verbundenen Nachteile wenigstens soweit aufwiegen, dass er nicht unbillig benachteiligt erscheint. Im konkreten Fall ist also zu fragen, ob etwa die Erhöhung des Wohnwertes durch den Aufzug die damit verbundenen Immissionen aufwiegen. Hierbei lassen die Materialien die Frage offen, ob ein objektiver oder ein subjektiver Maßstab anzulegen ist. Beide Betrachtungsweisen können zu unbefriedigenden Ergebnissen führen. Stellt man auf die jeweiligen Miteigentümer mit ihren individuellen Besonderheiten ab, könnte ein ansonsten nicht zu beanstandender Beschluss aufgrund besonderer persönlicher Merkmale eines Miteigentümers anfechtbar sein. So bringt etwa ein Kinderspielplatz oder ein Schwimmbecken einem kinderlosen Miteigentümer oder einem Nichtschwimmer naturgemäß keinen Nutzen, so dass den Nachteilen beispielsweise in Form von Immissionen keine Vorteile entgegenstehen. Gegen eine streng subjektive Betrachtung spricht auch die Parallelwertung bei der Zulässigkeit von Nutzungen, die von der Gemeinschaftsordnung abweichen. Hier wird ebenfalls auf eine typisierende Betrachtung abgestellt. Umgekehrt sind jedenfalls solche Besonderheiten zu berücksichtigen, die auf der Beschaffenheit des Sondereigentums beruhen. Es kann bei der Abwägung nicht unberücksichtigt bleiben, dass ein Sondereigentum sich näher an einer Immissionsquelle befindet oder dass der Erdgeschossbewohner keinen den Miteigentümern vergleichbaren Nutzen aus einem Aufzug ziehen kann. Abzustellen ist daher auf eine typisierende Betrachtung unter Berücksichtigung der Besonderheiten des jeweiligen Sondereigentums.
d) Gleichbehandlung
Rz. 40
Die Gesetzesmaterialien halten es darüber hinaus für "notwendig, dass die bauliche Veränderung zu einer treuwidrigen Ungleichbehandlung führt, indem die Nachteile einem oder mehreren Wohnungseigentümern in größerem Umfang zugemutet werden als den übrigen Wohnungseigentümern." Dies erscheint im Ansatz zweifelhaft. Damit wären gerade besonders gravierende Nachteile wie etwa die Beseitigung einer Gemeinschaftseinrichtung durch Umbau (etwa des gemeinschaftlichen Waschmaschinenraums zu einem Fitnessraum) von vorneherein aus dem Bereich der unbilligen Benachteiligung herausgenommen, weil alle Wohnungseigentümer gleichermaßen davon betroffen sind. Soweit die Berücksichtigung einer Ungleichbehandlung geboten ist, erscheint dies schon bei der Abwägung der Vor- und Nachteile möglich. Denn schon hier spricht die gleichheitswidrige Verteilung von Vor- und Nachteilen für eine unbillige Benachteiligung. Die Ungleichbehandlung zum notwendigen eigenständigen Tatbestandsmerkmal zu erheben, klammert wesentliche Fälle einer unbilligen Benachteiligung aus dem Anwendungsbereich der Norm aus.
e) Besondere Schwere des Nachteils
Rz. 41
Im Ergebnis erscheinen die in den Gesetzesmaterialien genannten Kriterien wenig überzeugend. Sie erfassen einerseits bei der Abwägung der Vor- und Nachteile zu viele bauliche Veränderungen, andererseits bei der Voraussetzung einer Ungleichbehandlung wesentliche Konstellationen nicht. Zudem verlassen die Gesetzesmaterialien mit diesen neuen Kriterien ohne Not bereits bereitetes Terrain, da der Wor...