Rz. 49
Die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft über das Privatvermögen durch Übertragung einzelner Nachlassgegenstände auf die Miterben ("Realteilung") führt, sofern keine Abfindungszahlung vereinbart ist, nicht zur Entstehung von Anschaffungskosten oder Veräußerungserlösen. Dies gilt auch, wenn Gesamthandseigentum vorher in Bruchteilseigentum umgewandelt wurde und ein Miterbe Anteile an der Bruchteilsgemeinschaft von einem anderen Miterben im Tauschwege gegen eigene Anteile erwirbt.
Rz. 50
Regelmäßig wird im Rahmen der Erbauseinandersetzung einem Miterben ein Nutzungsrecht (Nießbrauch, Wohnrecht) an einem zum Nachlass gehörenden Wirtschaftsgut eingeräumt, das einem anderen Miterben zugeteilt wird. Dies ist z.B. sinnvoll, wenn aus schenkungsteuerlichen Gründen die Abkömmlinge bereits die Substanz einer Immobilie erhalten sollen, der Nutzen bzw. die Erträge allerdings bei dem überlebenden Ehegatten verbleiben sollen. Dieses Nutzungsrecht wird dann nicht gegen Entgelt bestellt. Der Berechtigte hat entsprechend keine Anschaffungskosten. Die Ablösung des Nutzungsrechts durch den (belasteten) Miterben führt aber zu nachträglichen Anschaffungskosten beim Miterben.
Rz. 51
Werden im Nachlass befindliche Verbindlichkeiten durch einen Miterben im Rahmen der Erbauseinandersetzung durch Realteilung übernommen, führt dies weder zu Anschaffungskosten noch zu Veräußerungserlösen. Dies gilt nach Auffassung der Finanzverwaltung auch dann, wenn die Schuldübernahme die Erbquote übersteigt. Durch einen Miterben überproportional übernommene Schulden stehen also nicht im Finanzierungszusammenhang mit Einkünften aus bei der Erbauseinandersetzung übernommenen Nachlassgegenständen. Dies bedeutet gleichzeitig, dass durch vorhandene Nachlassverbindlichkeiten ein wertmäßiger Ausgleich unter den Miterben bei einer Teilung geschaffen werden kann und damit einkommensteuerlich ein unentgeltlicher Vorgang ermöglicht wird. Es kann in diesem Fall ein einkommensteuerpflichtiger Veräußerungsvorgang vermieden werden.
Rz. 52
Die Übernahme von Verbindlichkeiten der Erbengemeinschaft durch einzelne Miterben über die Erbquote hinaus führt nach Auffassung der Finanzverwaltung sogar dann nicht zu Anschaffungskosten beim Übernehmenden, wenn durch die Art der Verteilung von Verbindlichkeiten zusätzlich Abfindungsbedarf geschaffen wird. Übernimmt ein Miterbe z.B. Verbindlichkeiten, die einen ihm nicht zugeordneten Nachlassgegenstand betreffen, und liegt sein Erwerb dadurch unter dem Wert seiner Erbquote, sind in einer für diese Schuldübernahme vom anderen Miterben gezahlten Abfindung keine Anschaffungskosten zu sehen.
Rz. 53
Nach Ansicht der Finanzverwaltung bezieht sich die zur Wertangleichung zugelassene Möglichkeit der Übernahme von Verbindlichkeiten der Erbengemeinschaft über die Erbquote hinaus (also die Vermeidung eines Veräußerungsvorgangs) allerdings nur auf Nachlassverbindlichkeiten. Geht die Erbengemeinschaft im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Erbauseinandersetzung (eigene) Verbindlichkeiten ein, um insoweit eine gewinnneutrale Realteilung zu ermöglichen, handelt es sich nicht mehr um Nachlassverbindlichkeiten. In diesem Fall liegt ein Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten i.S.d. § 42 AO vor.