Dr. iur. Frank Fad, Prof. Dr. Günther Schneider
Rz. 239
Für den Fall, dass der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wurde, sind nach § 17 Abs. 3 StVG Schadensersatzansprüche gegen Halter, Fahrer und Eigentümer anderer Kraftfahrzeuge ausgeschlossen. Der Entlastungsbeweis trägt dem Umstand Rechnung, dass auf beiden Seiten ein Kraftfahrzeug beteiligt ist, das der Gefährdungshaftung unterliegt.
Rz. 240
Anders als es der Regierungsentwurf zum Zweiten Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vorsah, entfiel auf Vorschlag des Rechtsausschusses der früher in § 7 Abs. 2 StVG geregelte Haftungsausschlussgrund des "unabwendbaren Ereignisses" nicht vollständig, sondern erfasst auch nach dem Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19.7.2002 den Schadensausgleich zwischen den Haltern mehrerer unfallbeteiligter Kraftfahrzeuge. Damit folgte der Rechtsausschuss einer Anregung aus der öffentlichen Anhörung zu dem Gesetzentwurf. Dort war die Besorgnis geäußert worden, dass die vollständige Ersetzung des "unabwendbaren Ereignisses" durch "höhere Gewalt" dazu führen könnte, künftig auch dem "Idealfahrer" bei Unfällen zwischen Kraftfahrzeugen eine Betriebsgefahr zuzurechnen, so dass es vermehrt zu Quotenfällen kommen könnte. Die Begründung des Regierungsentwurfs weise zwar nach Auffassung des Rechtsausschusses zu Recht darauf hin, dass bei einer richtigen Anwendung der §§ 9 StVG, 254 BGB für den "Idealfahrer" keine Nachteile aus dem Wegfall des "unabwendbaren Ereignisses" erwachsen dürften. Der Rechtsausschuss hat sich jedoch im Interesse größtmöglicher Rechtssicherheit dafür entschieden, den Ausschlussgrund des "unabwendbaren Ereignisses" für den Schadensausgleich zwischen den nach § 7 Abs. 1 StVG haftpflichtigen Haltern von Kraftfahrzeugen beizubehalten, um unmissverständlich klarzustellen, dass für die genannte Fallgruppe im Ergebnis keine Rechtsänderung beabsichtigt ist. Für die Praxis sollte sich überdies der Vorteil ergeben, dass insoweit weiterhin auf die bekannte Rechtsfigur des "unabwendbaren Ereignisses" und die dazu ergangene Rechtsprechung zurückgegriffen werden kann.
Rz. 241
In der Unabwendbarkeit eines Ereignisses liegt weniger als die höhere Gewalt i.S.d. § 7 Abs. 2 StVG, weil es sich nicht um eine Einwirkung von außen zu handeln braucht“. Vielmehr können auch Vorgänge unvermeidbar sein, die mit dem Betrieb selbst zusammenhängen; ebenso wenig braucht es sich um "durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen Dritter herbeigeführte unvorhersehbare und vernünftigerweise nicht beherrschbare Ereignisse" wie bei der höheren Gewalt zu handeln. Liegt dagegen höhere Gewalt vor, ist stets ein unabwendbares Ereignis gegeben.
Rz. 242
Nach der Systematik des § 17 Abs. 3 StVG ergibt sich, dass auch unabwendbare Ereignisse nur dann zum Ausschluss der Haftung führen sollen, wenn sie weder auf einem Fehler in der Beschaffenheit des Fahrzeugs noch auf einem Versagen seiner Vorrichtungen beruhen. Soweit eine dieser beiden Voraussetzungen gegeben ist, bleibt es bei dem uneingeschränkten Grundsatz der Gefährdungshaftung des § 7 Abs. 1 StVG. § 17 Abs. 3 S. 2 StVG enthält aber keine Begriffsbestimmung des unabwendbaren Ereignisses, sondern, wie sich aus dem Wort "insbesondere" ergibt, lediglich Beispiele. Als solche Beispiele sind Fälle angeführt, in denen die Beobachtung jeder nach den Umständen des Falles gebotenen Sorgfalt verlangt wird.
Rz. 243
Sind mehrere Kraftfahrzeuge beteiligt, wird der Halter im Ergebnis von seiner Haftung aus § 7 Abs. 1 StVG frei, wenn er den Entlastungsbeweis gem. § 17 Abs. 3 StVG führt, indem er dessen Voraussetzungen nachweist, nämlich, dass (1) der Unfall nicht auf einem technischen Versagen seines Fahrzeugs beruht und (2) alle, die für das Fahrzeug verantwortlich sind (Halter, Fahrer oder ein beim Betrieb beschäftigter Dritter) die größtmögliche Sorgfalt angewendet haben.
Rz. 244
Beruht der Unfall deshalb nicht auf einem technischen Fehler des Fahrzeugs, kommt es entscheidend stets darauf an, ob die für das Fahrzeug Verantwortlichen dem in § 17 Abs. 3 StVG geforderten Sorgfaltsmaßstab gerecht geworden sind. "Jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt" verlangt einerseits mehr als bloße "im Verkehr erforderliche Sorgfalt" i.S.d. § 276 BGB, andererseits aber weniger als "absolute Unvermeidbarkeit" durch ein Verhalten, das menschliches Leistungsvermögen übersteigen würde. Die danach erforderliche äußerste Sorgfalt setzt ein sachgemäßes, geistesgegenwärtiges Handeln über den gewöhnlichen und persönlichen Maßstab i.S.v. § 276 BGB hinaus voraus. Verlangt ist eine über den gewöhnlichen Fahrerdurchschnitt erheblich hinausgehende Aufmerksamkeit, Geschicklichkeit und Umsicht sowie geistesgegenwärtiges und sachgemäßes Handeln im Augenblick der Gefahr in den Grenzen des Menschenmöglichen. Der Schädiger soll nur von Schäden freigestellt werden, die sich auch bei vorsichtigem Vorgehen nicht vermeiden lassen. Entscheidend ist, dass auch über die ...