Dr. iur. Frank Fad, Prof. Dr. Günther Schneider
Rz. 74
§ 7 Abs. 1 StVG setzt voraus, dass der Unfall "bei dem Betrieb" des Kraftfahrzeugs eingetreten ist. Damit ist der haftungsrechtliche Zurechnungszusammenhang zwischen Betrieb und der Verletzung der in § 7 Abs. 1 StVG genannten Rechtsgüter (s. Rdn 71 ff.) gemeint. Dieser beinhaltet – ebenso wie bei der deliktischen Haftung – neben der äquivalenten und adäquaten Verursachung einen Schutzzweckzusammenhang. Anders als bei der deliktischen Haftung knüpft die haftungsrechtliche Zurechnung bei § 7 StVG aber nicht an ein Verhalten des Anspruchsgegners, sondern an den "Betrieb" des Fahrzeugs an. Ausgangspunkt der Haftung ist daher nicht sorgfaltswidriges Verhalten, sondern die – typischerweise erlaubte – Schaffung einer Gefahrenquelle.
Rz. 75
Ein Schaden ist dann "bei dem Betrieb" eines Kraftfahrzeugs eingetreten, wenn sich die von dem Kraftfahrzeug ausgehende Gefahr auf den Schadensablauf ausgewirkt hat, wenn also das Schadensgeschehen in dieser Weise durch das Kraftfahrzeug (mit-)geprägt worden ist. Bei der insoweit gebotenen wertenden Betrachtung legt die Rechtsprechung das Haftungsmerkmal "bei dem Betrieb" entsprechend dem weiten Schutzzweck des § 7 Abs. 1 StVG grundsätzlich weit aus. Für die Zurechnung der Betriebsgefahr kommt es maßgeblich darauf an, dass die Schadensursache in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs steht. Namentlich die Schadensfolge muss in den Bereich der Gefahren fallen, um derentwillen die Rechtsnorm erlassen worden ist.
Rz. 76
Zwischen dem Betrieb des Kfz bzw. des Anhängers muss Kausalität im Sinne von Äquivalenz bestehen. Die bloße Anwesenheit eines Kraftfahrzeugs an der Unfallstelle reicht für die haftungsrechtliche Zurechnung nicht aus. Vielmehr muss der Betrieb des Fahrzeugs zur Entstehung des Schadensereignisses beigetragen haben. Ein solcher Beitrag ist nur denkbar, wenn eine Ursache gesetzt wurde, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass die Rechtsgutsverletzung in ihrer konkreten Gestalt entfiele. Zweifel hinsichtlich der Kausalität gehen zulasten des Kraftfahrzeughalters.
Rz. 77
Bei einem Begegnungsunfall haften beide Fahrzeughalter gemäß § 7 StVG, soweit sie nicht beweisen können, dass der ursächliche Zusammenhang zwischen dem Betrieb des Fahrzeugs und dem Unfall ausgeschlossen ist. Ein solcher Zusammenhang besteht beispielsweise auch, wenn während der Fahrt Schottersteine vom Fahrdamm durch die Reifen des Kraftfahrzeugs hochgeschleudert werden und ein anderes Fahrzeug beschädigen oder einen Fußgänger verletzen.
Rz. 78
Für das Kriterium der Adäquanz bleibt bei der Gefährdungshaftung ein geringerer Anwendungsbereich als bei der Verschuldenshaftung. Weil die Gefährdungshaftung nicht an sorgfaltswidriges Verhalten anknüpft, sondern dem Ausgleich für die Eröffnung einer Gefahrenquelle dient, kommt es nicht entscheidend darauf an, dass der konkrete Schadensfall vorhersehbar war. Vielmehr stellt das Kriterium des Schutzzweckzusammenhangs sicher, dass nur die Schadensfolgen ersetzt werden, vor denen die Haftungsnorm den Verkehr schadlos halten will. Da die Haftungsvorschrift des § 7 Abs. 1 StVG allein von dem Gedanken der Gefährlichkeit eines in Betrieb befindlichen Kraftfahrzeugs ausgeht und vor den mit dem Betrieb verbundenen Gefahren – wie auch immer sie sich entfalten und auswirken – schützen will, kann die Frage nach dem adäquat ursächlichen Zusammenhang auch nur dahin gestellt werden, ob der Schaden auf eine Ursache zurückgeht, die zum Betrieb des Kraftfahrzeugs als solchem gehört. Das ist regelmäßig dann der Fall, wenn der Unfall in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder mit bestimmten Betriebseinrichtungen steht.
Rz. 79
Es genügt, dass die für den Schaden ursächliche Verkehrslage während des Betriebs des Fahrzeugs begründet wurde; nicht erforderlich ist, dass das Fahrzeug sich bei Eintritt des Schadens noch in Betrieb befindet. Der erforderliche zeitliche Zusammenhang besteht deshalb auch, wenn es wegen der vom Kraftfahrzeug herabgefallenen Ladung zu einem Unfall kommt, solange nur das Herabfallen der Gegenstände mit einem Verkehrsvorgang zusammenhängt.
Rz. 80
Die Fahrzeuge müssen sich nicht unmittelbar berühren. Vielmehr umfasst das Haftungsmerkmal "bei dem Betrieb" alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadensabläufe. Wenn ein Motorradfahrer stürzt, während ihn ein Sattelschlepper überholt, kann sich der Unfall auch ohne Berührung der beiden Fahrzeuge bei dem Betrieb beider Fahrzeuge ereignet haben; ebenso wenn er sich durch die Fahrweise anderer Pkws zu einem Ausweichmanöver veranlasst sieht. Dies gilt in gleicher Weise für einen Fußgänger, der durch die Fahrweise eines Kraftfahrzeugs unsicher geworden ist und stürzt. Ebenso für den Sturz eines Radfahrers, der einem Pkw ausweicht, weil er glaubt, die Straße sei für d...