Rz. 5
Nach dem Umfang und der Beteiligung der Arbeitnehmer können der Vollstreik oder Flächenstreik sowie Teilstreik oder Schwerpunktstreik unterschieden werden. Bezogen auf den Abschluss eines Tarifvertrages wird der Verbandsstreik, der zum Abschluss eines Verbandstarifvertrages führen soll, vom Firmenstreik, der zum Abschluss eines Firmentarifvertrages führen soll, unterschieden. Im Hinblick auf die beabsichtigte Wirkung kennt man den Erzwingungsstreik, der zum Abschluss eines Tarifvertrages führen soll, oder den Warnstreik, der Verhandlungsprozesse initiieren oder intensivieren soll. In diesem Zusammenhang sind außerdem der Demonstrationsstreik oder der Proteststreik, die sich i.d.R. gegen allgemeine gesellschaftliche oder politische Entwicklungen richten, zu nennen. Des Weiteren ist der sog. Hauptstreik oder Unterstützungsstreik zu unterscheiden. Der Hauptstreik bezieht sich auf die Verbände im Kampfgeschehen, die unmittelbar zu einem Tarifergebnis kommen wollen. Der Solidaritäts- oder Unterstützungsstreik wird von anderen Verbänden eingesetzt, um die Gewerkschaften im Hinblick auf den erfolgreichen Abschluss des Hauptarbeitskampfes zu unterstützen.
Rz. 6
Hinsichtlich der Trägerschaft eines Streiks wird unterschieden zwischen dem gewerkschaftlich getragenen und dem nicht gewerkschaftlich getragenen, dem sog. wilden Streik. Darüber hinaus ist der Streik um einen Tarifvertrag zu nennen und zu unterscheiden vom politischen Streik, der ein politisches Ziel verfolgt. Der Generalstreik zeichnet sich dadurch aus, dass sich Beschäftigte aller oder der wesentlichen Gewerbezweige beteiligen. Er ist zumeist von einer politischen Zielsetzung getragen. Als bekanntestes Beispiel ist der sog. Proteststreik gegen den Kapp-Putsch im Jahr 1920 zu nennen. Der Angriffs- und Abwehrstreik bezeichnet die Rollen der Gewerkschaften im Arbeitskampf. Während der Angriffsstreik deshalb geführt wird, um aktiv und aus Eigeninitiative heraus ein tarifpolitisches Ziel zu verfolgen und umzusetzen, wird der Abwehrstreik als Reaktion ggü. Arbeitgebermaßnahmen, sei es Aussperrung oder Lohneinstellung, geführt. Der Boykott hingegen ist keine klassische Streikform, sondern ist eine Verlautbarung dahin gehend, dass bestimmte Produkte oder aber sonstige Handlungsmöglichkeiten eines Unternehmens von Verbrauchern oder Arbeitnehmern nicht abgefordert werden sollen. Darüber hinaus sind als Streikformen der befristete, der unbefristete, der Wechsel-/roulierende oder der Wellenstreik, der Bummelstreik, der Dienst nach Vorschrift, die Blockade und die Betriebsbesetzung zu nennen. Neuerdings wird die Zulässigkeit sog. Flashmob-Aktionen diskutiert. Dabei geht es bspw. darum, dass sog. Aktionsteilnehmer in einem Einzelhandelsgeschäft, Einkaufswagen mit Waren anfüllen und an der Kasse nicht bezahlen oder sich in den Gängen aufhalten, um Einkaufsmöglichkeiten zu erschweren (hierzu BAG v. 22.9.2009 – 1 AZR 972/08, NZA 2009, 1347 ff.; Otto, RdA 2010, 135 m.w.N.). Mit Kammerbeschluss v. 26.3.2014 (1 BvR 3185/09) hat das BVerfG die Annahme einer Verfassungsbeschwerde gegen die viel beachtete Entscheidung des BAG abgelehnt. Es bestätigt damit, dass das BAG in verfassungsrechtlich vertretbarer Weise den Flashmob als grundsätzlich rechtmäßiges Arbeitskampfmittel vorbehaltlich einer Verhältnismäßigkeitsprüfung im konkreten Einzelfall anerkannt hat. Damit scheint das BVerfG über das freiheitsbezogene Arbeitskampfverständnis des BAG sogar noch hinaus zu gehen: War der Flashmob-Entscheidung des BAG noch ein klares Bekenntnis zur Beschränkung der Arbeitskampfmittelfreiheit auf "friedliche" Kampfmittel zu entnehmen, lässt das BVerfG mit der vorliegenden Entscheidung die Frage nach einem allgemeinen Friedlichkeitsvorbehalt ausdrücklich dahinstehen. Der Beschluss des BVerfG führt damit zu der Einschätzung, dass die Arbeitskampffreiheit beim BVerfG noch großzügiger interpretiert wird als beim BAG.
Rz. 7
Alle diese Streikformen zielen aus Gewerkschaftssicht auch darauf ab, den Streikbruch und den Einsatz der Aussperrung zu erschweren. Auszugehen ist aber unter rechtlichen Gesichtspunkten von der Freiheit der Wahl der Kampfmittel. Die Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände entscheiden frei über die Streikarten und Streikformen sowie den Einsatz der Aussperrung und anderer Kampfmittel. Die Koalitionsfreiheit, die in Art. 9 Abs. 3 GG garantiert ist, überlässt es den Koalitionen grds. die Mittel auszuwählen, die sie zur Erreichung ihres Zweckes für am besten geeignet halten (BVerfG v. 6.5.1964 – 1 BvR 79/62, DB 1964, 700; BVerfG v. 26.6.1991, AuR 1992, 29; BAG v. 19.6.2007, DB 2007, 238; BAG v. 28.1.1955, BB 1955, 605; ErfK/Linsenmaier, GG, Art. 9 Rn 266; Kissel, Arbeitskampfrecht, § 23 Rn 2). Aus diesen Gründen gibt es auch keinen abschließenden Katalog zulässiger Kampfmittel, eben keinen Typenzwang, es können auch neue Kampfmittel entwickelt und eingesetzt werden (kritisch hierzu Otto, RdA 2010, 135, 137 ff.).