Rz. 1
Der Unterstützungsstreik ist zulässig (BAG v. 19.6.2007 – 1 AZR 396/06, NZA 2007, 1055). Bei einem Unterstützungsstreik unterstützen die Arbeitnehmer den Hauptarbeitskampf anderer Arbeitnehmer. Diese Form der Streikausübung fällt unter die Streikgarantie des Art. 9 Abs. 3 GG. Der Unterstützungsstreik ist vor dem Hintergrund der vielfältigen Formen der Tarifflucht, der Tendenzen zur Zersplitterung der räumlichen, persönlichen und fachlichen Geltungsbereiche vieler Flächentarifverträge sowie der Aufspaltung ehemals einheitlicher Tarifbereiche und im Hinblick auf die Erosion des Tarifvertragssystems insgesamt als tarifbereichsübergreifende gegenseitige Unterstützung hilfreich. Dabei wird der Unterstützungsstreik als ein überkommenes Kampfmittel angesehen, das die Einflussmöglichkeiten der Arbeitnehmer im Hinblick auf die Erreichung von tariflichen Zielen unterstützt und ausbaut. Dabei hat die Rspr. nunmehr auch klargestellt, dass eine Beschränkung des Unterstützungsstreiks auf tarifliche Ziele mit Art. 9 Abs. 3 GG und Art. 6 Nr. 4 ESC nicht vereinbar ist. Auch deshalb geht das BAG von der grundsätzlichen Zulässigkeit von Unterstützungsstreiks aus (BAG v. 19.6.2007 – 1 AZR 396/06, NZA 2007, 1055; ErfK/Linsenmaier, GG, Art. 9 Rn 121; Sunnus, AuR 2008, 1, 4 ff.). Damit ist zugleich klargestellt, dass der Unterstützungsstreik der durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Betätigungsfreiheit der Gewerkschaften unterfällt.
Rz. 2
Dabei ist aber der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Der Unterstützungsstreik ist dann rechtswidrig, wenn er zur Unterstützung des Hauptarbeitskampfes offensichtlich ungeeignet, offensichtlich nicht erforderlich oder unangemessen ist. Hinsichtlich der Geeignetheit und der Erforderlichkeit hat die den Unterstützungsstreik führende Gewerkschaft eine Einschätzungsprärogative. Gewerkschaften haben einen Beurteilungsspielraum bei der Frage, ob eine Arbeitskampfmaßnahme geeignet ist, Druck auf den sozialen Gegenspieler auszuüben. Nur wenn das Kampfmittel zum Erreichen des zulässigen Kampfzieles offensichtlich ungeeignet ist, kann eine Arbeitskampfmaßnahme aus diesem Grund für rechtswidrig erachtet werden (BVerfG v. 10.9.2004, AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 167). Jedenfalls ist davon auszugehen, dass ein Unterstützungsarbeitskampf und dass, damit verfolgte Streikziel bezogen auf den Hauptarbeitskampf nicht allein deshalb ungeeignet sind, weil der mit dem Unterstützungsstreik überzogene Arbeitgeber die Streikforderung nicht selbst erfüllen kann (BAG v. 19.6.2007 – 1 AZR 396/06, NZA 2007, 1055).
Rz. 3
Zu fordern ist aber, dass die Durchführung des Unterstützungsstreiks sich auf einen rechtmäßigen Hauptarbeitskampf bezieht. Die Dauer und Intensität des Unterstützungsstreiks müssen in einem angemessenen Verhältnis zum Umfang des Hauptstreiks stehen. Der Schwerpunkt des gesamten Arbeitskampfes darf nicht offensichtlich beim Unterstützungsstreik liegen oder dorthin verlagert werden. Beachtet man diese Voraussetzungen, ist ein Unterstützungsstreik dann verhältnismäßig, wenn zum Haupt- und Unterstützungsstreik die gleiche Gewerkschaft aufruft, der betroffene Arbeitgeber seine Neutralität im Hauptstreik verletzt hat und/oder zwischen den beteiligten Arbeitgebern bzw. Arbeitgeberverbänden eine räumliche, branchenmäßige, personelle, verbandspolitische, rechtliche und/oder wirtschaftliche Verbindung besteht. Dies ist typischerweise bei Konzernen oder Unternehmergruppen oder bei engen Produktions-, Dienstleistungs- oder Lieferbeziehungen anzunehmen (BAG v. 19.6.2007 – 1 AZR 396/06, NZA 2007, 1055).