Rz. 20

In einem Aufforderungsschreiben mit Klageandrohung ist dem Sinn entsprechend folgender Satz enthalten: "Sollten Sie nicht … zahlen, werde ich gegen Sie die Klage einreichen, zu der ich bereits Prozessauftrag habe." Mit dieser Aussage wird dem Schuldner gegenüber zum Ausdruck gebracht, dass er ohne Weiteres damit rechnen muss, dass gerichtliche Schritte gegen ihn eingeleitet werden, wenn er auf das Mahnschreiben hin nicht zahlt. Aus dem Umstand, dass er seinem RA bereits Prozessauftrag erteilt hat, lässt sich erkennen, dass der Gläubiger zu einer gerichtlichen Geltendmachung seiner Forderung fest entschlossen ist. Dies ist übrigens auch der für die Gebührenberechnung wesentliche Teil des Aufforderungsschreibens.

Eine Mahnung mit Klageandrohung wird der RA seinem Mandanten dann empfehlen, wenn ein Schuldner nicht zahlt, obwohl ihn der Gläubiger bereits (mehrmals) erfolglos gemahnt hat, falls er die Leistung verweigert oder wenn er sich für zahlungsunfähig erklärt. Durch einen Prozess kann der Gläubiger einen Vollstreckungstitel gegen den Schuldner erhalten, wenn dieser auch nach der anwaltlichen Mahnung noch nicht leistet.

Der RA wird in diesem Sinne eine triftige Erklärung dafür abgeben müssen, aus welchem Grunde er nicht eine kostengünstigere erste außergerichtliche anwaltliche Mahnung vorgeschlagen hat.

Grundsätzlich kommt es bei der Berechnung der Anwaltsgebühren darauf an, welchen Auftrag der Mandant seinem RA erteilt hat. Der RA darf nur Tätigkeiten ausüben, zu denen er beauftragt wurde. In diesem Fall wurde ihm ein Prozessauftrag erteilt, also der Auftrag, den Anspruch des Gläubigers gegen den Schuldner gerichtlich einzuklagen. Als Honorar für die Erledigung dieses Auftrages kommen nur Gebühren aus dem Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses des RVG in Betracht, da nur dieser Teil sich in Abschnitt 1 mit den Gebühren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten – also dem Zivilprozess – befasst.

Weiterhin kommt, da dem RA ein Prozessauftrag erteilt wurde, für seine dementsprechende Tätigkeit grundsätzlich nur die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG in Frage. Für diese Gebühr muss ein RA jedoch normalerweise schon etwas mehr tun, als nur eine Mahnung zu schreiben. Immerhin gehört zur Führung eines Prozesses unter anderem auch das Erstellen der Klageschrift und anderer Schriftsätze. In diesem Fall ist die Tätigkeit des RA jedoch zunächst einmal nur vorgerichtlich, wobei es in dem Fall verbleibt, wenn der Schuldner nach Erhalt des Aufforderungsschreibens zahlt. Das Aufforderungsschreiben gehört mit zur Vorbereitung des Prozesses, um den Schuldner – falls erforderlich – in Verzug zu setzen und um ihm die Möglichkeit zu nehmen, den eingeklagten Anspruch mit der Folge des § 93 ZPO sofort anzuerkennen.

 

Rz. 21

Weil der RA, dessen Prozesstätigkeit bereits mit dem Aufforderungsschreiben endet, mit einer gleich hohen Verfahrensgebühr, wie sie ein Anwalt erhält, der einen Prozess bis zum Ende führt, überbezahlt wäre, hat der Gesetzgeber in Nr. 3101 Ziff. 1 VV RVG für solche Fälle die Verfahrensgebühr reduziert. Wenn der Schuldner nach Zugang des Aufforderungsschreibens zahlt, kommt es natürlich nicht zur Einreichung der Klageschrift beim Gericht, was genau die Voraussetzung für die Anwendung von Nr. 3101 Ziff. 1 VV RVG ist. Demnach erhält der RA, dessen Prozessauftrag schon nach Fertigung des Aufforderungsschreibens erledigt ist, nur eine 0,8 Verfahrensgebühr für die vorzeitige Beendigung des Auftrags nach Nr. 3101 Ziff. 1 VV RVG i. V. m. Nr. 3100 VV RVG.

Da die Verfahrensgebühr eine allgemeine Betriebsgebühr für das Betreiben eines Prozesses ist, sind mit der verminderten Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 Ziff. 1 VV RVG alle Tätigkeiten abgegolten, die normalerweise bei der Einleitung eines Prozesses anfallen. Die (verminderte) Verfahrensgebühr entsteht nach der Auftragserteilung bereits mit der ersten Tätigkeit des RA, was regelmäßig die Entgegennahme der von dem Mandanten abgegebenen Information und dessen Beratung sein wird, und schließt als Pauschgebühr die weitere Bearbeitung dieser Sache, insbesondere auch Schriftverkehr mit der Gegenseite, ein. Weitere Gebühren werden also für ein Aufforderungsschreiben mit Klageauftrag – wenn der Schuldner nach Erhalt des Schreibens sofort zahlt – nicht entstehen. Je nachdem wie die Sache weiter abläuft, können indessen auch noch zwei zusätzliche Gebühren neben der reduzierten Verfahrensgebühr entstehen:

 

Rz. 22

eine 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG für auf die Vermeidung eines gerichtlichen Verfahrens gerichtete Besprechungen außerhalb des Gerichts (Vorbemerkung 3 Abs. 3 S. 3 Ziff. 2 VV RVG) und
eine 1,5 Einigungsgebühr nach Nr. 1000 Ziff. 1 VV RVG für den Abschluss eines Vertrages über eine Einigung mit der der Streit beseitigt wird, oder
eine 0,7 Einigungsgebühr nach Nr. 1000 Ziff. 2 VV RVG für den Abschluss einer Zahlungsvereinbarung, wonach der Schuldner z. B. seine Schuld in Raten tilgt.
 

Beispiel 1:

RA Stumm erhält von dem Gutbrod den unbedingten Auftrag, gegen den Sc...

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