Dr. iur. Kerstin Diercks-Harms, Dr. iur. Rüdiger Brodhun
Rz. 5
Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt – soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist – mit dem Schluss des Jahres zu laufen, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste, § 199 Abs. 1 BGB.
Rz. 6
Bisweilen kann zweifelhaft sein, wann der Gläubiger von den maßgebenden Umständen, welche den Anspruch begründen, Kenntnis erlangt hat. Der den Gläubiger vertretende Rechtsanwalt muss diese Frage ebenso prüfen, wie der Anwalt, der den Schuldner vertritt. Die entscheidende Kenntnis des Gläubigers nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB bezieht sich nicht auf das Vorhandensein des Anspruchs selbst, sondern auf diejenigen Tatsachen, aus denen ein Anspruch subsumiert werden kann. Geht es z.B. um einen Schadensersatzanspruch wegen schuldhafter Pflichtverletzung, reicht es aus, wenn der Verletzte die Grundzüge des Hergangs der Schädigung kennt und weiß, dass sich aus dem Sachverhalt gewichtige Anhaltspunkte für eine Ersatzpflicht des Verantwortlichen ergeben. Eine Kenntnis der Einzelheiten ist nicht erforderlich. Relevant ist vielmehr, ob die Umstände eine Haftungsklage aussichtsreich erscheinen lassen und eine Erhebung der Klage zugemutet werden kann. Ein Rechtsirrtum oder die falsche Gesetzesanwendung sind für die Verjährung hingegen unbedeutend. Etwas anderes kann nur ausnahmsweise dann gelten, wenn die Rechtslage so unübersichtlich oder zweifelhaft war, dass selbst ein rechtskundiger Dritter diese nicht zuverlässig einschätzen könnte. Unzureichend hierfür ist aber, dass die Rechtslage noch nicht höchstrichterlich geklärt wurde oder abweichende oberlandesgerichtliche Entscheidungen vorhanden sind.
Rz. 7
Ausnahmen von der Regelung des § 199 BGB bestehen nach § 200 BGB (Beginn anderer Verjährungsfristen), § 201 BGB (Beginn der Verjährungsfrist von festgestellten Ansprüchen), § 438 Abs. 2 BGB (Verjährung der Mängelansprüche im Kaufrecht) und § 634a Abs. 2 BGB (Verjährung der Mängelansprüche im Werkvertragsrecht).