Rz. 25

Ein Miterbe darf alleine über seinen Anteil (oder einen Bruchteil davon) am gesamten Nachlass verfügen (§ 2033 Abs. 1 S. 1 BGB), nicht hingegen über einzelne Nachlassgegenstände (§ 2040 Abs. 1 BGB). Das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft ist in §§ 2371 ff. BGB geregelt. Für den Fall des Verkaufs gewährt § 2034 BGB den Miterben ein Vorkaufsrecht.

1. Überblick zum Vorkaufsrecht

 

Rz. 26

Verkauft ein Miterbe seinen Anteil an der Erbengemeinschaft, gewährt § 2034 Abs. 1 BGB den übrigen Miterben ein Vorkaufsrecht. Hierdurch können die Miterben den Eintritt Außenstehender in die Gemeinschaft verhindern, um die Zuordnung des Nachlasses an die Erbengemeinschaft zu erhalten, und die Auseinandersetzung oder das Fortbestehen der Gemeinschaft zu erleichtern oder zu sichern. Darauf könnte sonst der Anteilserwerber Einfluss nehmen.[68] Die Ausübung des Vorkaufsrechts steht den Miterben gemeinschaftlich zu.

 

Rz. 27

§ 2034 BGB bezieht sich abschließend nur und ausschließlich auf den freiwilligen Verkauf eines Miterbenanteils. Auf andere Verträge wird § 2034 BGB nach der ganz h.M. nicht entsprechend angewendet, gleich ob Schenkung,[69] gemischte Schenkung,[70] Sicherungsabrede,[71] Tausch,[72] Vergleich, Zwangsvollstreckung[73] (§ 471 BGB) oder Teilungsversteigerung gem. § 180 ZVG[74] vorliegt. Der Wortlaut des § 2034 BGB ist insoweit eindeutig und stellt gerade nicht lediglich auf "Verfügungen" ab. Daher ist die Übertragung aufgrund der Erfüllung eines Vermächtnisses u.Ä. ebenfalls kein Fall des § 2034 BGB. Soweit versucht wird, durch ein "Umgehungsgeschäft" die Regelung des § 2034 BGB zu vermeiden, ist die Anwendung von § 2034 BGB auszudehnen: Ein Umgehungsgeschäft liegt bei Verträgen vor, die einem Kaufvertrag nahezu gleichkommen, und in die der Vorkaufsberechtigte zur Wahrung seiner Erwerbs- und Abwehrinteressen "eintreten" kann, ohne die vom Verpflichteten ausgehandelten Konditionen des Veräußerers zu beeinträchtigen.[75]

Das Vorkaufsrecht gibt den Miterben die Befugnis, den Miterbenanteil zu den vertraglichen Konditionen zu erwerben, zu denen der veräußernde Miterbe ihn an den Dritten veräußern wollte. Mit Ausübung[76] kommt der Vertrag mit dem gleichen Inhalt zwischen vorkaufsverpflichteten und vorkaufsberechtigten Miterben zustande, § 464 Abs. 2 BGB. Die Miterben haften dem Käufer als Gesamtschuldner.

 

Rz. 28

Ist ein Miterbe verstorben und hat seinen Miterbenanteil – zusammen mit seinem Eigenvermögen – weiter vererbt, ist danach zu unterscheiden, über welchen Gegenstand verfügt wird, und ob eine weitere Erbengemeinschaft entstanden ist.[77]

[69] BGH WM 1957, 1162, 1164 mit Bezug auf RGZ 101, 99, 101.
[70] RGZ 101, 99, 101.
[71] BGH NJW 1957, 1515, 1516.
[72] BGH NJW 1964, 540, 541: der Vorkaufsberechtigte hätte bei Ausübung des Vorkaufsrechts nicht die Möglichkeit, den Tauschgegenstand anstelle des ursprünglichen Vertragspartners zu übereignen.
[73] BGH NJW 1977, 37, 38.
[74] Kein Vorkaufsrecht der Miterben gegenüber dem Meistbietenden.
[75] BGH NJW 1992, 236, 237.
[76] Siehe hierzu unten Rdn 32.
[77] Zu Einzelheiten siehe Damrau/Tanck/Rißmann, Erbrecht, § 2034 Rn 4 ff. u. dort Rn 8 ff. zu den Voraussetzungen des Vorkaufsrechts im Einzelnen.

2. Ausübung des Vorkaufsrechts

 

Rz. 29

Die Frist zur Ausübung des Vorkaufsrechts beginnt für jeden Vorkaufsberechtigten individuell mit Zugang der Mitteilung über den Abschluss des Kaufvertrages.[78] Diese Mitteilung hat gem. § 469 Abs. 1 S. 1 BGB unverzüglich (§ 121 Abs. 1 S. 1 BGB) durch den veräußernden Miterben zu erfolgen. Die Frist beginnt jedoch gleichfalls, wenn der Käufer den Miterben von dem Vertrag mitteilt (§ 469 Abs. 1 S. 2 BGB) oder wenn der Miterbe bei der Beurkundung des Vertrages anwesend war.[79] Eine Mitteilung durch Dritte ist hingegen nicht ausreichend.[80] Die Mitteilung bedarf keiner Form, daher kann sie auch mündlich oder durch einen Beauftragten erfolgen. Es muss sich für den Empfänger jedoch erkennbar um eine rechtlich erhebliche Erklärung und nicht lediglich um eine gesprächsweise Äußerung handeln.[81] Wird der vereinbarte Kaufpreis nicht angegeben, liegt keine Mitteilung i.S.v. § 469 Abs. 1 BGB vor. Vielmehr muss der Verpflichtete die Vertragsbedingungen, die für die Entschließung des Vorkaufsberechtigten von Bedeutung sein können, klar, richtig und vollständig eröffnen. Maßgebend für den Beginn der Frist ist nicht die Kenntnis sondern die Mitteilung vom Inhalt des Kaufvertrags.[82] Dies gilt auch für Vertragsergänzungen und -änderungen.[83]

 

Rz. 30

Das Vorkaufsrecht erlischt nach Ablauf der Frist von zwei Monaten gem. § 2034 Abs. 1 S. 1 BGB. Die Frist ist Ausschlussfrist, keine Verjährungsfrist (§ 194 Abs. 1 BGB). Daher kann der Fristlauf auch nicht gehemmt werden. Sie läuft nur einmal und beginnt auch nicht von neuem, wenn der Erbteil innerhalb der Frist weiter veräußert wird, da die Voraussetzungen des § 2034 BGB nur beim ersten Verkauf vorliegen.[84] Etwaige Genehmigungen müssen innerhalb der Frist des § 2034 Abs. 2 BGB erfolgen.[85] Die vorkaufsberechtigten Miterben können jedoch – auch schon vo...

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