Dr. iur. Christian Saueressig
Rz. 263
Fügt ein Tier einem Dritten einen Schaden zu, haftet der Tierhalter dem Dritten nach § 833 BGB. Zur Begründung eines Anspruchs aus § 833 S. 1 BGB muss der Geschädigte darlegen und beweisen, dass ihm durch ein vom Beklagten gehaltenes Tier Schaden zugefügt wurde. Das schließt die Umstände ein, die die Tierhaltereigenschaft begründen. Die Qualifikation als Halter stellt allerdings eine Rechtsfrage dar, die anhand der Umstände des Schädigungshergangs zu beantworten ist. Im Übrigen genügt der Geschädigte seiner Darlegungs- und Beweislast, wenn er geltend macht, die Rechtsgutsverletzung sei von dem Tier verursacht worden.
Rz. 264
Handelt es sich bei dem Tier um ein Luxustier, gibt es keine Entlastungsmöglichkeit für den Tierhalter; denn sein Verschulden ist nicht Anspruchsvoraussetzung. Handelt es sich um ein Nutztier ("dem Berufe, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalte des Tierhalters" dienend), kann sich dieser gemäß § 833 S. 2 BGB dadurch entlasten, dass er beweist, die im Verkehr erforderliche Sorgfalt angewandt zu haben. Er haftet also aus vermutetem Verschulden.
Beispiel
Ein Pferd läuft auf die Straße und verursacht dadurch einen Verkehrsunfall. Der auf Schadensersatz in Anspruch genommene Bauer macht zu seiner Entlastung geltend, das Tier sei aus einer ordnungsgemäß abgesperrten Weide entlaufen. Ein Dritter müsse unbemerkt das Gatter geöffnet haben. Dieser schwer zu führende Beweis obliegt dem Bauern.
BGH VersR 1966, 186:
Zitat
Angesichts der beträchtlichen Gefahren, die ein frei umherlaufendes Pferd für den Verkehr auf einer Bundesstraße bedeutet, sind an den Entlastungsbeweis des Halters, der das Tier in einem neben der Straße gelegenen Weidegarten zu verwahren pflegt, strenge Anforderungen zu stellen. Hierbei ist von der Pflicht des Halters auszugehen, das vom Weidegarten zur Straße führende Tor nicht nur gegen ein Öffnen durch die in der Umzäunung befindlichen Tiere, sondern nach Möglichkeit auch gegen Manipulationen von Unbefugten zu sichern.
Ähnlich hohe Anforderungen werden auch an die Haltung von gefährlichen Hunden gestellt. Der BGH spricht von erhöhten Sorgfaltsanforderungen bei der Beaufsichtigung von aggressiven und bissigen Hunden, die auch eine einsprechende Sicherung des Tieres umfassen können.
Rz. 265
Besondere Probleme stellen sich bei Reiterunfällen. Voraussetzung für einen Anspruch aus § 833 BGB ist nämlich, dass sich die typische Tiergefahr verwirklicht, die sich in einem der tierischen Natur entsprechenden unberechenbaren und selbstständigen Verhalten äußert. Diese kann fehlen, wenn ein Reiter von einem Pferd fällt.
OLG Koblenz VersR 1999, 239:
Zitat
Die Beweislast dafür, dass der eingetretene Schaden auf eine "spezifische Tiergefahr" zurückzuführen ist, trifft den geschädigten Reiter, wenn das Pferd im Zeitpunkt des Unfalles unter seiner Lenkung stand.
Dass der Reiter das lustlose Pferd mit einer Reitgerte traktiert hat und dieses darauf sich seiner entledigt hat, schließt den Ersatzanspruch des Reiters hingegen nicht aus; auch dann nicht, wenn ihm das Pferd von dem Tierhalter gefälligkeitshalber überlassen worden war. Allerdings hält der BGH in entspr. Anwendung des § 834 BGB in einem solchen Fall ein Mitverschulden für möglich. Der Reiter hat die ihn treffende Verschuldens- und Verursachungsvermutung zu widerlegen.
Vgl. auch OLG Köln NJW-RR 2012, 1374:
Zitat
Es entspricht gefestigter Rechtsprechung, dass gegenüber der Haftung des Tierhalters aus § 833 BGB im Rahmen des Mitverschuldens nach § 254 BGB die Beweislastregel des § 834 BGB mit der Folge zu berücksichtigen ist, dass der geschädigte Tierführer (hier: Reiter) den Vorwurf des Mitverschuldens auszuräumen hat. Der Minderjährigenschutz ist bei der Anwendung dieser Beweislastregel in der Weise zu berücksichtigen, dass es darauf ankommt, ob der Minderjährige aufgrund seiner Erfahrungen im Umgang mit einem entsprechenden Tier, das heißt sowohl in Bezug auf eine entsprechende Einsichtsfähigkeit (§ 828 III BGB) in die Erforderlichkeiten der Steuerung als auch körperlich in der Lage war, selbstständig Einflussmöglichkeiten auf eine Steuerung des Tieres wahrzunehmen.
Ist der erforderliche Beweis des fehlenden Mitverschuldens nicht erbracht, so ist nicht von einem überwiegenden Haftungsanteil des Tierhalters, sondern mangels abweichender Anhaltspunkte von einer hälftigen Schadensteilung auszugehen.