Dr. Susanne Creutzig, Prof. Dr. Jürgen Creutzig
Rz. 126
Jede Vertragspartei kann nach § 89a Abs. 1 Satz 1 HGB den Handelsvertretervertrag aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist außerordentlich kündigen. Wie bei anderen Dauerschuldverhältnissen auch, muss die außerordentliche Kündigung in der Regel nicht ausdrücklich als solche bezeichnet werden; sie muss aber so klar und unmissverständlich erklärt werden, dass beim Kündigungsempfänger keine Zweifel an einer außerordentlichen Kündigung entstehen können. Die außerordentliche Kündigung ist nicht an eine besondere Form gebunden, d.h. kann auch mündlich erklärt werden, soweit nicht etwas anderes im Handelsvertretervertrag vereinbart ist. Einen Begründungszwang sieht das Handelsvertreterrecht grds. nicht vor. Der Gekündigte kann jedoch die Mitteilung der Kündigungsgründe in analoger Anwendung des § 626 Abs. 2 Satz 3 BGB verlangen.
Rz. 127
Der fristlos Kündigende muss im Handelsvertreterrecht nicht die strenge Zwei-Wochenfrist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB beachten, die mit dem Zeitpunkt beginnt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Vielmehr hat die Kündigung innerhalb einer angemessenen Frist zu erfolgen. Längstens ist ein fristloses Kündigungsrecht spätestens nach Ablauf von 2 Monaten verwirkt.
Rz. 128
Die Kündigungsgründe müssen zum Zeitpunkt des Ausspruchs der außerordentlichen Kündigung vorliegen. Kündigungsgründe, die zeitlich danach entstanden sind, können nicht i.R.d. bereits ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung berücksichtigt werden. Sie können allenfalls im Wege einer weiteren außerordentlichen Kündigung geltend gemacht werden.
Rz. 129
Sollte eine außerordentliche Kündigung mangels eines wichtigen Grundes unwirksam sein, so kann eine Umdeutung nach § 140 BGB in eine ordentliche Kündigung zum nächsten Termin in Betracht kommen, sofern der Kündigende dies bei Kenntnis der Nichtigkeit gewollt hätte und dies deutlich erkennbar geworden ist.
Rz. 130
Vor Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung ist nach § 314 Abs. 2 BGB, gem. dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sowie dem Rechtsgedanken, dass eine außerordentliche Kündigung stets die Ultima Ratio darstellt, vom Kündigungsberechtigten zunächst grds. eine Abmahnung auszusprechen. Diese muss genaue Angaben zum beanstandeten Verhalten des Vertragspartners enthalten, sodass dieser sein Verhalten ggf. korrigieren und seinen vertraglichen Verpflichtungen nachkommen kann. Ansonsten ist sie unwirksam.
Rz. 131
Die Abmahnung ist entbehrlich, wenn der Verstoß so schwerwiegend ist, dass eine Wiederherstellung des Vertrauensverhältnisses auch nach einer Abmahnung nicht zu erwarten ist.
Hinweis
Im Zweifel sollte in der Praxis stets eine Abmahnung dem Ausspruch der fristlosen Kündigung vorausgehen.
Rz. 132
Wann ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung vorliegt, kann nur durch objektive und gerechte Abwägung der beiderseitigen Interessen und unter Berücksichtigung aller Umstände und Betrachtung des konkreten Einzelfalls beurteilt werden. Da eine fristlose Kündigung den für den HV wichtigen Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB ausschließt, kommt es in der Praxis häufig vor, dass der Unternehmer eine fristlose Kündigung ausspricht. Sollte sich dagegen der HV vom Vertrag lösen wollen, so versucht er regelmäßig, einen wichtigen Grund im Verhalten des Unternehmers für seine Kündigung zu finden, da ihm sonst ebenfalls der Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB im Fall einer Eigenkündigung verlustig geht.
Rz. 133
Bei der Prüfung, ob ein wichtiger Grund vorliegt, muss nach objektiven Kriterien unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorgegangen werden. Dabei hat eine Abwägung der gegenseitigen Interessen der Vertragsparteien zu erfolgen. In aller Regel liegt ein wichtiger Grund nur dann vor, wenn eine Vertragsfortsetzung tatsächlich unzumutbar ist. Wann eine derartige Unzumutbarkeit vorliegt, kann ebenfalls nur im Einzelfall beurteilt werden.
Rz. 134
Eine Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung wird regelmäßig dann nicht vorliegen, wenn eine Partei das vertragswidrige Verhalten der anderen Partei über einen längeren Zeitraum geduldet hat. Auch ist es denkbar, dass eine außerordentliche Kündigung ausgeschlossen ist, da sich der Kündigende selbst vertragsuntreu verhalten hat. In diesem Fall greift § 242 BGB ein.