Norbert Schneider, Lotte Thiel
A. Überblick
Rz. 1
Das Mahnverfahren ist auch in Familiensachen insoweit eröffnet, als Zahlungsansprüche in Familienstreitsachen geltend gemacht werden (§ 113 Abs. 2 FamFG i.V.m. §§ 688 ff. ZPO). Dies betrifft vor allem Ansprüche auf Zugewinnausgleich oder rückständigen Unterhalt oder auch sonstige Zahlungsansprüche, die unter § 266 Abs. 1 FamFG fallen (Gesamtschuldnerausgleich, Zahlung einer Steuerrückerstattung usw.). Die Zahlungsansprüche müssen fällig und dürfen nicht von einer Gegenleistung abhängig sein. Daher können z.B. laufende Unterhaltsforderungen nicht im Mahnverfahren verfolgt werden.
Rz. 2
Für Zahlungsansprüche aus Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit (z.B. Ansprüche auf Nutzungsentschädigung für die Benutzung der Ehewohnung nach § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB) ist das Mahnverfahren dagegen nicht statthaft, weil es an einer entsprechenden Verweisung fehlt.
Rz. 3
Soweit nach § 113 Abs. 2 FamFG das Mahnverfahren stattfindet, ergeben sich hinsichtlich der Gebühren des Anwalts keine Besonderheiten gegenüber den allgemeinen Zivilsachen. Das Mahnverfahren ist nach § 17 Nr. 2 RVG gegenüber dem nachfolgenden streitigen Verfahren eine eigene Angelegenheit i.S.d. § 15 RVG, die nach Teil 3 Abschnitt 3 Unterabschnitt 2 VV vergütet wird, also nach den Nr. 3305 ff. VV.
B. Gegenstandswert
Rz. 4
Der Gegenstandswert im Mahnverfahren richtet sich nach § 23 Abs. 1 S. 1 RVG gem. § 48 Abs. 1 S. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO (§ 1 Abs. 1 S. 3 FamGKG). Maßgebend ist der geforderte Geldbetrag. Zinsen und Kosten, die als Nebenforderungen geltend gemacht werden, sind dem Wert der Hauptsache nicht hinzuzurechnen (§ 43 Abs. 1 GKG).
C. Die Gebühren
I. Überblick
Rz. 5
Die Gebühren im Mahnverfahren richten sich nach den Nrn. 3305 bis 3308 VV. Hinzukommen kann eine Teminsgebühr nach Nr. 3104 VV (Vorbem. 3.3.2 VV). Daneben gelten die Allgemeinen Gebühren nach Teil 1 VV, also insbesondere die Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV.
Rz. 6
Die Auslagen richten sich nach Teil 7 VV. Da das Mahnverfahren gem. § 17 Nr. 2 RVG gegenüber dem nachfolgenden streitigen Verfahren eine besondere Angelegenheit darstellt, entsteht hier insbesondere auch eine eigene Postentgeltpauschale nach Nr. 7002 VV, die auch erstattungsfähig und festsetzbar ist.
Rz. 7
Hinsichtlich der Gebühren unterscheidet das Vergütungsverzeichnis danach, ob der Anwalt den Antragsteller oder den Antragsgegner vertritt.
II. Vertretung des Antragstellers
1. Verfahren über den Antrag auf Erlass des Mahnbescheids
Rz. 8
Im Verfahren über den Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids erhält der Anwalt des Antragstellers eine 1,0-Verfahrensgebühr nach Nr. 3305 VV.
Beispiel 1: Mahnverfahren
Der Anwalt erwirkt für die Mandantin einen Mahnbescheid über rückständigen Unterhalt in Höhe von 500,00 EUR.
Angefallen ist nur die 1,0-Verfahrensgebühr nach Nr. 3305 VV.
1. |
1,0-Verfahrensgebühr, Nr. 3305 VV |
|
45,00 EUR |
|
(Wert: 500,00 EUR) |
|
|
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
9,00 EUR |
|
Zwischensumme |
54,00 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
10,26 EUR |
Gesamt |
|
64,26 EUR |
Rz. 9
Hatte der Anwalt, bevor er im Mahnverfahren einen Auftrag erhalten hat, den Mandanten außergerichtlich vertreten, so ist die dort verdiente Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV hälftig anzurechnen, höchstens zu 0,75 (Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV).
Beispiel 2: Anrechnung – Normalfall
Der Anwalt macht außergerichtlich für den Auftraggeber einen Anspruch auf Gesamtschuldnerausgleich in Höhe von 3.000,00 EUR geltend. Die Sache ist weder umfangreich noch schwierig. Der Schuldner zahlt nicht. Der Anwalt beantragt daraufhin einen Mahnbescheid.
Die 1,3-Geschäftsgebühr für die außergerichtliche Vertretung (Nr. 2300 VV) wird nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV zur Hälfte, also nach einem Gebührensatz von 0,65, auf die Verfahrensgebühr des Mahnverfahrens (Anm. zu Nr. 3305 VV) angerechnet.
I. |
Außergerichtliche Vertretung (Wert: 3.000,00 EUR) |
1. |
1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV |
|
261,30 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
281,30 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
53,45 EUR |
Gesamt |
|
334,75 EUR |
II. |
Mahnverfahren (Wert: 3.000,00 EUR) |
1. |
1,0-Verfahrensgebühr, Nr. 3305 VV |
|
201,00 EUR |
2. |
gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen, 0,65 aus 3.000,00 EUR |
|
– 130,65 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
90,35 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
17,17 EUR |
Gesamt |
|
107,52 EUR |
Rz. 10
Erledigt sich der Auftrag, bevor der Anwalt einen verfahrenseinleitenden Antrag oder einen Schriftsatz, der Sachanträge, Sachvortrag oder die Zurücknahme des Antrags enthält, einreicht, entsteht die Gebühr nur zu 0,5 (Nr. 3306 VV).
Beispiel 3: Mahnverfahren, Erledigung vor Antragstellung
Der Anwalt ist beauftragt, einen Mahnbescheid über 500,00 EUR rückständigen Unterhalt zu beantragen. Vor Antragstellung zahlt der Schuldner. Zur Einreichung des Mahnbescheidantrags kommt es nicht mehr.
Es entsteht nur die ermäßig...