Rz. 629
Hat der Auftraggeber den Auftrag erteilt, eine Scheidungsfolgenvereinbarung zu schließen, um diese dann bei Gericht protokollieren zu lassen, entsteht aus den Werten, die von der Einigung umfasst werden, eine 0,8 Differenzverfahrensgebühr nach Nr. 3101 Nr. 2 VV RVG neben der 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG aus dem Wert der nichtrechtshängigen Ansprüche. Nach § 15 Abs. 3 RVG dürfen jedoch beide Verfahrensgebühren zusammen nicht mehr ergeben, als eine Verfahrensgebühr nach dem Höchstsatz aus dem addierten Wert, vgl. dazu auch die obigen Ausführungen (siehe Rdn 509) und die Musterrechnungen (siehe Rdn 510).
Rz. 630
Kindermann stellt in ihrem Werk die Ansicht von Müller-Rabe dar, dass eine Vermutung dafür sprechen würde, dass eine zwischen den Beteiligten zu erzielende Einigung gerichtlich protokolliert werden sollte, so dass im Hinblick auf den zwingend notwendigen Prozessauftrag für die Scheidung lediglich ein einheitlicher Prozessauftrag erteilt würde, der auch die Gegenstände umfassen würde, die nicht rechtshängig werden. Ohne sich selbst festzulegen führt Kindermann weiter aus, dass, falls man von zwei Aufträgen ausgeht (außergerichtliche Tätigkeit betreffend die nicht rechtshängigen Ansprüche und gerichtliche Tätigkeit), zwei Abrechnungen zu erteilen wären. Einmal der außergerichtliche Auftrag über die Geschäftsgebühr und zum zweiten das gerichtliche Verfahren mit den Gebühren nach Teil 3. Nach meiner Auffassung sollte man genau dieses Problem der "Vermutung eines erteilten Auftrags" entgehen, indem der erteilte Auftrag dokumentiert wird.
Rz. 631
Muster 72: Musterrechnung 5.72: Scheidungsvereinbarung – gerichtlich protokolliert – Variante 1
Musterrechnung 5.72: Scheidungsvereinbarung – gerichtlich protokolliert – Variante 1
Rechtsanwalt Z reicht für Mandantin M einen Scheidungsantrag ein. Rechtsanwalt K wird nach Zustellung des Scheidungsantrags vom Antragsgegner beauftragt, eine noch auszuhandelnde Scheidungsfolgenvereinbarung im Termin protokollieren zu lassen. Für den Fall, dass die Vereinbarung nicht zustande kommt, wird unbedingter Auftrag zur Einreichung entsprechender gerichtlicher Anträge erteilt. Kinder sind aus der Ehe nicht hervorgegangen. Der Versorgungsausgleich wird durchgeführt. Im Termin wird schließlich eine Scheidungsvereinbarung protokolliert, die zuvor zwischen den Beteiligten in einer Besprechung mit den Rechtsanwälten ausgehandelt worden war, für die unbedingter Verfahrensauftrag bestand und in der folgende Gegenstände einer vergleichsweisen Regelung zugeführt wurden:
▪ |
Zugewinnausgleich, Wert: 40.000,00 EUR |
▪ |
wechselseitiger Unterhaltsverzicht, 1.800,00 EUR |
▪ |
Haushaltsgegenstände, deklaratorisch, ohne Wertansatz |
Die Verfahrens- und Mehrvergleichswerte werden vom Gericht wie folgt festgesetzt:
Ehesache 55.000,00 EUR (Einkommen u. Vermögen)
Zugewinnausgleich: 40.000,00 EUR
Unterhaltsverzicht: 1.800,00 EUR
Versorgungsausgleichs auf 3.500,00 EUR
Gegenstandswert: 58.500,00 EUR/41.800,00 EUR, §§ 23 Abs. 1 S. 1 RVG, 43, 51 Abs. 1, 50, 35 FamGKG
1,3 Verfahrensgebühr aus 58.500,00 EUR Nr. 3100 VV RVG |
1.784,90 EUR |
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0,8 Differenzverfahrensgebühr aus 41.800,00 EUR Nr. 3101 Nr. 2 VV RVG |
958,40 EUR |
|
Summe |
2.743,30 EUR |
|
nach § 15 Abs. 3 RVG: höchstens 1,3 aus 100.300,00 EUR |
|
2.151,50 EUR |
1,2 Terminsgebühr aus 100.300,00 EUR Nr. 3104 VV RVG (u. Vorbem. 3 Abs. 3 VV) |
|
1.986,00 EUR |
1,5 Einigungsgebühr aus 41.800,00 EUR Nr. 1000 Nr. 1 VV RVG |
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1.797,00 EUR |
Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG |
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20,00 EUR |
Zwischensumme |
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5.954,50 EUR |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG |
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1.131,36 EUR |
Summe |
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7.085,86 EUR |
Hinweis
Die Terminsgebühr aus dem Wert der nicht rechtshängigen Ansprüche fällt an für die Teilnahme der Rechtsanwälte an der Besprechung. Aufgrund § 15 Abs. 5 S. 1 RVG erhält der Rechtsanwalt die Terminsgebühr aus dem vollen Wert. Zum Anfall der Terminsgebühr für die Besprechung siehe auch Rdn 577; zu den Gegenstandswerten siehe § 4 Rdn 302, 378, 537 u. 192 in diesem Werk; zur Anwendung von § 15 Abs. 3 RVG siehe Rdn 509; zur Einigungsgebühr siehe Rdn 261 und 308 in diesem Kapitel.
Rz. 632
Häufig wird der Versorgungsausgleich zwischen den Ehegatten ausgeschlossen. Gleichwohl ist dieser im Zwangsverbund. Wie die Abrechnung aussehen könnte, wenn auch über den Versorgungsausgleich eine Einigung erfolgt, sehen Sie in der folgenden Musterrechnung:
Muster 73: Musterrechnung 5.73: Scheidungsvereinbarung – gerichtlich protokolliert – Variante 2
Musterrechnung 5.73: Scheidungsvereinbarung – gerichtlich protokolliert – Variante 2
Rechtsanwalt Z reicht für Mandantin M einen Scheidungsantrag ein. Rechtsanwalt K wird nach Zustellung des Scheidungsantrags vom Antragsgegner beauftragt, eine noch auszuhandelnde Scheidungsfolgenvereinbarung im Termin protokollieren zu lassen. Für den Fall, dass die Vereinbarung nicht zustande kommt, wird unbedingter Auftrag zur Einreichung entsprechender gerichtlicher Anträge erteilt. Kinder sind aus der Ehe nicht hervorgegangen. Im Termin wird schließlich eine Scheidung...