Rz. 723
Grundsätzlich entsteht in einstweiligen Anordnungsverfahren zunächst eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG, sobald der Antrag eingereicht ist. Bei vorzeitiger Beendigung gilt Nr. 3101 VV RVG, siehe auch Rdn 482 in diesem Kapitel.
Rz. 724
Fraglich ist, ob eine Terminsgebühr nach Nr. 3100 VV RVG entstehen kann, wenn in einem einstweiligen Anordnungsverfahren im Beschlusswege ohne mündliche Verhandlung entschieden wird. Zum Teil wird in der Rechtsprechung der Anfall einer Terminsgebühr verneint, weil in einstweiligen Anordnungsverfahren nach den § 49 ff. FamFG – ähnlich wie im einstweiligen Rechtschutz – eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben sei. Nach anderer Ansicht kann jedoch sowohl im einstweiligen Anordnungsverfahren nach den §§ 49 ff. FamFG (§ 54 Abs. 2 FamFG) als auch in Eilverfahren, z.B. nach Widerspruch gem. § 924 Abs. 2 S. 2 ZPO, eine mündliche Verhandlung stattfinden; die mündliche Verhandlung kann daher in diesen Fällen zumindest erzwungen werden, auch wenn diese nicht gesetzlich vorgeschrieben ist. Es rechtfertigt entsprechend den Anfall einer 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG, wenn ohne mündliche Verhandlung in solchen Verfahren entschieden wird. Der letztgenannten Ansicht ist zu folgen, insbesondere, weil es einer effektiven Verfahrensführung entspricht, "in einem Verfahren, in dem ein Beteiligter eine mündliche Verhandlung und somit das Entstehen einer Terminsgebühr erzwingen kann, einen Anreiz zu schaffen, das Verfahren auch ohne mündliche Verhandlung zu beenden, ohne dass der Verfahrensbevollmächtigte Gefahr läuft, die ansonsten "sichere" Terminsgebühr zu verlieren." Der BGH hat den Anfall einer Terminsgebühr für eine sog. "Erledigungsbesprechung" i.S.d. Vorbem. 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 VV RVG für den Fall bejaht, dass eine Besprechung in einem Verfahren stattfindet, in dem die mündliche Verhandlung für den Fall vorgeschrieben ist, dass eine Partei sie beantragt.
Rz. 725
Praxistipp
Im Hinblick auf die Kostenunsicherheit hinsichtlich einer "fiktiven Terminsgebühr" im einstweiligen Anordnungsverfahren wird dringend empfohlen, mit dem Auftraggeber (Selbstzahler) ggf. für einstweilige Anordnungsverfahren eine Vergütungsvereinbarung zu treffen.
Rz. 726
Muster 82: Musterrechnung 5.82: Mehrere einstweilige Anordnungen
Musterrechnung 5.82: Mehrere einstweilige Anordnungen
Eine Scheidungssache ist anhängig. Neben der Ehesache werden folgende einstweilige Anordnungen anhängig gemacht:
▪ |
Einstweilige Anordnung auf Zahlung von Trennungsunterhalt i.H.v. monatlich 500,00 EUR |
▪ |
Einstweilige Anordnung auf Zuweisung der Ehewohnung |
Im einstweiligen Anordnungsverfahren auf Zuweisung der Ehewohnung entscheidet das Gericht durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung. Betreffend des e.A.-Verfahrens wegen Unterhalt entscheidet das Gericht nach mündlicher Verhandlung durch Beschluss.
1. Einstweilige Anordnung wg. Zuweisung der Ehewohnung
Gegenstandswert: 1.500,00 EUR, §§ 23 Abs. 1 S. 1 RVG, 48 Abs. 1, 41 S. 2 FamGKG
1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG |
165,10 EUR |
Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG |
20,00 EUR |
Zwischensumme |
185,10 EUR |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG |
35,17 EUR |
Summe |
220,27 EUR |
2. Einstweilige Anordnung wg. Trennungsunterhalt
Gegenstandswert: 3.000,00 EUR, §§ 23 Abs. 1 S. 1 RVG, 51 Abs. 1, 41 S. 2 FamGKG
1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG |
288,60 EUR |
1,2 Terminsgebühr Nr. 3104 VV RVG |
266,40 EUR |
Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG |
20,00 EUR |
Zwischensumme |
575,00 EUR |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG |
109,25 EUR |
Summe |
684,25 EUR |
Zu den Gegenstandswerten siehe § 4 Rdn 513 und 627 in diesem Werk.
Rz. 727
Muster 83: Musterrechnung 5.83: Einstweilige Anordnung neben Hauptsache
Musterrechnung 5.83: Einstweilige Anordnung neben Hauptsache
Es wird ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung betreffend Trennungs-Unterhaltszahlung gestellt. Beantragt ist ein monatlicher Unterhaltsbetrag von 640,00 EUR. Das Gericht entscheidet durch Beschluss ohne Termin und setzt eine Frist zur Einreichung eines Hauptsacheantrags. Schließlich wird auch das Hauptsacheverfahren anhängig. Im Hauptsacheverfahren werden fällige Unterhaltsbeträge für 3 Monate sowie laufender Unterhalt geltend gemacht. Nach mündlicher Verhandlung schließen die Beteiligten einen Unterhaltsvergleich, der gerichtlich protokolliert wird.
1. Einstweilige Anordnung wg. Trennungsunterhalt
Gegenstandswert:
640,00 EUR x 12 = 7.680,00 EUR; 7.680,00 EUR : 2 = 3.840,00 EUR, §§ 23 Abs. 1 S. 1 RVG, 51 Abs. 1, 41 S. 2 FamGKG
1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG |
361,40 EUR |
Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG |
20,00 EUR |
Zwischensumme |
381,40 EUR |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG |
72,47 EUR |
Summe |
453,87 EUR |
2. Hauptsacheverfahren wg. Trennungsunterhalt
Gegenstandswert:
640,00 EUR × 12 = 7.680,00 EUR + fällige Beträge: 3 × 640,00 EUR = 1.920,00 EUR
Gesamtwert: 9.600,00 EUR, §§ 23 Abs. 1 S. 1 RVG, 51 Abs. 1 u. 2 FamGKG
1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG |
798,20 EUR |
1,2 Terminsgebühr Nr. 3104 VV RVG |
736,80 EUR |
1,0 Einigungsgebühr Nr. 1003 VV RVG |
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