Für die Kenntnis vom Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen reicht es im Allgemeinen aus, wenn der Geschädigte auf der Grundlage der ihm bekannten Tatsachen zumindest eine aussichtsreiche, wenn auch nicht risikolose Feststellungsklage erheben kann (auch Rdn 438).
BGH v. 17.12.2020 fasst die rechtlichen Aspekte der risikolosen Klageerhebung wie folgt zusammen:
Zitat
a) Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist die Kenntnis i.S.v. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB vorhanden, wenn dem Geschädigten die Erhebung einer Schadensersatzklage, sei es auch nur in Form der Feststellungsklage, Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos, möglich ist. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB stellt nur auf die Kenntnis der tatsächlichen Umstände ab, mithin des Lebenssachverhalts, der die Grundlage des Anspruchs bildet. Dabei ist weder notwendig, dass der Geschädigte alle Einzelumstände kennt, die für die Beurteilung möglicherweise Bedeutung haben, noch muss er bereits hinreichend sichere Beweismittel in der Hand haben, um einen Rechtsstreit im Wesentlichen risikolos führen zu können. Die erforderliche Kenntnis ist vielmehr bereits vorhanden, wenn die dem Geschädigten bekannten Tatsachen ausreichen, um den Schluss auf ein schuldhaftes Fehlverhalten des Anspruchsgegners als naheliegend erscheinen zu lassen. Es muss dem Geschädigten lediglich zumutbar sein, aufgrund dessen, was ihm hinsichtlich des tatsächlichen Geschehensablaufs bekannt ist, Klage zu erheben, wenn auch mit dem verbleibenden Prozessrisiko, insbesondere hinsichtlich der Nachweisbarkeit von Schadensersatz auslösenden Umständen. Die 3-jährige Verjährungsfrist gibt dem Geschädigten dann noch hinreichende Möglichkeiten, sich für das weitere Vorgehen noch sicherere Grundlagen, insbesondere zur Beweisbarkeit seines Vorbringens, zu verschaffen.
b) Aus der Regelung des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB, die nur auf die Kenntnis der den Anspruch begründenden tatsächlichen Umstände abstellt, ergibt sich, dass das Risiko der fehlerhaften rechtlichen Bewertung eines Sachverhalts vom Gesetz grundsätzlich dem Anspruchsinhaber auferlegt wird. Nicht erforderlich ist also i.d.R., dass der Gläubiger aus den ihm bekannten Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht. Nur ausnahmsweise kann die Rechtsunkenntnis des Gläubigers den Verjährungsbeginn hinausschieben, wenn eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vorliegt, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig – als erfolgversprechend, wenn auch nicht risikolos (hierzu sogleich) – einzuschätzen vermag. In diesen Fällen fehlt es an der Zumutbarkeit der Klageerhebung als übergreifender Voraussetzung für den Verjährungsbeginn.
aa) Das Hinausschieben des Beginns der regelmäßigen Verjährungsfrist wegen unsicherer und zweifelhafter Rechtslage kann allerdings nur in eng begrenzten, besonders begründeten Ausnahmefällen angenommen werden. Mit der Einführung der 3-jährigen Regelverjährungsfrist verfolgte der Gesetzgeber die Absicht, in einem überschaubaren Zeitraum Rechtsfrieden und Rechtssicherheit zu schaffen. Angesichts dieses Schutzzwecks erfordert das Verjährungsrecht eindeutige Regeln und eine Auslegung, die die gebotene Rechtssicherheit gewährleistet. Deshalb ist es grundsätzlich erforderlich, sich bei der Anwendung solcher Vorschriften eng an deren Wortlaut zu halten. Zwar müssen Verjährungsregeln mit Rücksicht auf das verfassungsrechtlich geschützte Forderungsrecht (Art. 14 Abs. 1 GG) stets einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen des Schuldners und des Gläubigers darstellen. Dies kann in engen Grenzen Ausnahmen rechtfertigen, um dem Gläubiger eine faire Chance zu geben, seinen Anspruch geltend zu machen. Mit Rücksicht auf den formalen Charakter der Verjährungsvorschriften sind aber an die Rechtfertigung einer über den Wortlaut der Normen hinausgehenden Anwendung besonders strenge Anforderungen zu stellen.
bb) Auch mit Blick auf rechtliche Unsicherheiten gilt jedenfalls der allgemeine Grundsatz, dass eine Klageerhebung dann zumutbar ist, wenn die Klage bei verständiger Würdigung hinreichende Erfolgsaussichten hat; es ist nicht erforderlich, dass die Rechtsverfolgung risikolos möglich ist.
(1) Unzumutbar ist die Klageerhebung, wenn der Durchsetzung des Anspruchs eine gegenteilige höchstrichterliche Rechtsprechung entgegensteht, allerdings nur solange, bis sich – etwa in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte – eine gefestigte Gegenmeinung herausgebildet hat. Eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, die die Erfolgsaussichten einer Klage lediglich verbessert, rechtfertigt dagegen den Aufschub des Verjährungsbeginns nicht.
(2) Eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage besteht nicht schon dann, wenn noch keine höchstrichterliche Entscheidung einer bestimmten Frage vorliegt. Vielmehr ist dafür zumindest ein ernsthafter Meinungsstreit in Literatur und Rechtsprechung erforderlich.
Ist die Rechtslage ausgehend von früher...