Rz. 6

Wird der Anwalt während des vorbereitenden Verfahrens (das ist der Abschnitt zwischen Einleitung eines Ermittlungsverfahrens bis zum Erlass einer abschließenden Verfügung) tätig, erhält er eine Verfahrensgebühr nach Nr. 4104 VV RVG. Ein Zuschlag nach Nr. 4105 VV RVG ist bei Mandanten, welche sich nicht auf freiem Fuß befinden, möglich. Werden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens

richterliche Vernehmungen und Augenscheinseinnahmen,
Vernehmungen durch die Staatsanwaltschaft oder eine andere Strafverfolgungsbehörde,
Termine außerhalb der Hauptverhandlung, in denen über die Anordnung oder Fortdauer der Untersuchungshaft oder der einstweiligen Unterbringung verhandelt wird,
Verhandlungen im Rahmen des Täter-Opfer-Ausgleichs oder
Sühnetermine nach § 380 StPO

abgehalten, fällt eine Gebühr nach Nr. 4102 VV RVG an.

 

Rz. 7

Besondere Bedeutung hat die Gebühr Nr. 4141 VV RVG: Denn wird das Ermittlungsverfahren nicht nur vorläufig eingestellt, wird der Anwalt, wenn er an dieser Einstellung durch seine Tätigkeit mitgewirkt hat, mit einer Erledigungsgebühr vergütet, die einer mittleren Verfahrensgebühr entspricht. Es handelt sich um eine Festgebühr. Der Grad der Mitwirkung ist unerheblich, entscheidend ist, dass der Anwalt eine auf die Einstellung gerichtete Tätigkeit entfaltet hat.[2] Irgendeine Form der Mitursächlichkeit der anwaltlichen Tätigkeit in Bezug auf die Einstellung ist nicht erforderlich; auch muss die Tätigkeit nicht aus den Verfahrensakten hervorgehen.

 

Rz. 8

 

Beispiel

Mandant M – ein Berufskraftfahrer – sucht seinen Anwalt A auf, weil die Staatsanwaltschaft gegen ihn ermittelt. Er soll mit seinem Lkw einen Unfall verursacht und sich dann unerlaubt vom Unfallort entfernt haben (§ 142 StGB). A bespricht sich mit M, beantragt Einsicht in die Ermittlungsakte (Kosten: 12,00 EUR) und prüft den Sachverhalt. Es handelt sich um eine durchschnittliche Tätigkeit, in Anbetracht der drohenden Fahrerlaubnisentziehung ist die Sache für M von existenzieller Bedeutung.

Es stellt sich anhand der Aufzeichnungen des Arbeitgebers des M heraus, dass M sich mit seinem Lkw zum angeblichen Tatzeitpunkt im Ausland aufgehalten hatte, als Täter somit ausscheidet. Dies trägt A im Rahmen einer Verteidigungsschrift vor. Das Verfahren wird eingestellt.

A kann gegenüber dem Mandanten folgende Gebühren abrechnen:

 
1. Grundgebühr, VV 4100   240,00 EUR
2. Verfahrensgebühr, VV 4104   200,00 EUR
3. Erledigungsgebühr, VV 4141   181,50 EUR
4. Kosten Akteneinsicht   12,00 EUR
5. Auslagenpauschale, VV 7002   20,00 EUR
Zwischensumme 653,50 EUR  
6. Umsatzsteuer, VV 7008   124,17 EUR
Gesamt   777,67 EUR

In Anbetracht der besonderen Bedeutung der Angelegenheit für den Mandanten M ist eine Anhebung der Grundgebühr und der Verfahrensgebühr über den Mittelsatz hinaus gerechtfertigt. Die Erledigungsgebühr entsteht, wie oben ausgeführt, als Festgebühr in Höhe der Rahmenmitte. Die Akteneinsicht ist, obwohl nicht im VV RVG geregelt, erstattungsfähig (und, wie die Gebühren, umsatzsteuerpflichtig[3]).

 

Rz. 9

Eine Erstattung der im vorbereitenden Verfahren entstandenen Anwaltskosten findet, auch bei Einstellung des Verfahrens, nicht statt. Die Strafprozessordnung sieht hier keine Erstattungsregelungen vor.

[2] KG JurBüro 2012, 466; BGH RVGreport 2008, 431.
[3] Vgl. Schneider, DStR 2008, 759; BayVGH NJW 2007, 1483.

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