Dr. Olaf Riecke, Jan-Hendrik Schmidt
Rz. 59
Die Wohnungseigentümergemeinschaft hat keine gesetzlich vorgeschriebene Mindesthaftungsmasse. Bei ihr haften im Außenverhältnis zu den Gläubigern jetzt abweichend von BGH ZMR 2005, 547 wegen § 10 Abs. 8 WEG a.F. = § 9a Abs. 4 WEG n.F. sämtliche Wohnungseigentümer, die im Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs der Gemeinschaft angehören, unmittelbar persönlich, aber nur pro rata in Höhe der Größe ihres Miteigentumsanteils mit ihrem jeweiligen Privatvermögen. Da bei einem zum Verwalter bestellten Nichtmitglied ein Fremdorgan befugt und imstande ist, diese begrenzte Haftung auszulösen, nimmt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer insoweit eine Sonderstellung unter den Personenmehrheiten ein. Andererseits sieht das Gesetz in § 28 WEG ein selbstständiges, d.h. von den Außenverbindlichkeiten zunächst unabhängiges Rechnungs- und Finanzwesen vor. Anders als bei der einfachen Bruchteilsgemeinschaft i.S.d. §§ 741 ff. BGB, bei der Kosten und Lasten direkt auf die Teilhaber umgelegt werden (vgl. § 748 BGB), werden jedenfalls in einer finanziell intakten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die Ansprüche zunächst aus der Gemeinschaftskasse entnommen und später in den (Einzel-)Abrechnungen entsprechend dem zur jeweiligen Kostenposition maßgeblichen Kostenverteilungsschlüssel auf alle Mitglieder umgelegt. Gläubiger sehen bei einer werthaltigen Gemeinschaftskasse also von einer unmittelbaren Inanspruchnahme eines oder einzelner Wohnungseigentümer ab.
Rz. 60
Im Innenverhältnis setzt die Entstehung von Beitragsforderungen der Gemeinschaft gegen die einzelnen Wohnungseigentümer die Beschlussfassung über die Vorschüsse zur Kostentragung basierend auf Wirtschaftsplan (nebst Sonderumlagen) oder Jahresabrechnung voraus, die vom Verwalter zu erstellen und der Gemeinschaft vorzulegen ist. Die erforderliche Beschlusskompetenz für die Vorschüsse oder die Einforderung von Nachschüssen zur Kostentragung basierend auf Wirtschaftsplänen, Sonderumlagen und Jahresabrechnungen folgt aus § 28 WEG, der insoweit für die finanzielle Verwaltung lex specialis zu § 21 Abs. 3 WEG a.F. bzw. § 19 Abs. 1 WEG n.F. ist. Erst durch die Beschlussfassung werden die entsprechenden Zahlungspflichten der einzelnen Wohnungseigentümer begründet. Fälligkeitszeitpunkte (vgl. § 28 Abs. 3 WEG n.F.) können ebenfalls im Beschluss bestimmt werden, beim Wirtschaftsplan z.B. in gleichen Monatsraten jeweils zum 3. Werktag. Fällige Wohngeldrückstände sind außergerichtlich und notfalls gerichtlich durchzusetzen im Namen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer als rechtsfähigem Verband. Eine Prozessstandschaft des Verwalters, d.h. die gerichtliche Durchsetzung der für ihn fremden Ansprüche des Verbandes im eigenen Namen gegen den Hausgeldschuldner ist seit der Anerkennung (Kodifikation) der Rechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft zweifelhaft und abzulehnen. Die Anfechtung eines Genehmigungsbeschlusses beim nach § 43 WEG zuständigen Gericht hat keine die Zahlungspflicht aufschiebende Wirkung (vgl. § 23 Abs. 4 WEG). Gegebenenfalls kann bei Gericht separat und vor dem Anfechtungsverfahren (§ 44 Nr. 1 WEG n.F.) der Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt werden, mit der der angefochtene Eigentümerbeschluss bis zur Hauptsacheentscheidung außer Kraft gesetzt wird.
Rz. 61
Der Wirtschaftsplan umfasst die während des bevorstehenden oder u.U. auch schon laufenden Abrechnungszeitraums voraussichtlich anfallenden Einnahmen und Ausgaben (siehe § 28 Abs. 1 S. 2 WEG). Die rückwirkende Festlegung der Zahlungspflicht ab dem 1.1. des Jahres ist zulässig. Innerhalb des laufenden Geschäftsjahres ist dies von den Wohnungseigentümern hinzunehmen. Nur eine echte Rückwirkung nach Ablauf des Wirtschaftsjahres oder nahezu vollständigem Ablauf ist unzulässig und anfechtbar. Oft orientiert sich der Wirtschaftsplan an den Ergebnissen des Vorjahres. Prüfungsmaßstab für die Rechtmäßigkeit eines Beschlusses über die Vorschüsse zur Kostentragung (vgl. Wirtschaftsplan) ist seine Ordnungsmäßigkeit (siehe § 28 Abs. 1 WEG). Hierzu genügt es nicht, lediglich die Gesamtbeträge der prognostizierten Einnahmen und Ausgaben zu beschließen (Gesamtwirtschaftsplan), sondern die Beschlussfassung muss sich auch auf die Einzelanteile des jeweiligen Wohnungseigentümers (Einzelwirtschaftspläne) beziehen.
Rz. 62
Da der Wirtschaftsplan ohne ausdrückliche Regelung in der Gemeinschaftsordnung oder Beschlussfassung im Einzelfall nicht automatisch auch für das anschließende Wirtschaftsjahr Gültigkeit beansprucht, empfiehlt sich die Verwendung sog. Fortgeltungsklauseln (vgl. das Beschlussmuster in Rdn 69). Die Fortgeltung eines konkreten Wirtschaftsplanes bis zur Beschlussfassung des nächsten Wirtschaftsplanes im Folgejahr oder sogar bis zur Genehmigung des nächsten Wirtschaftsplanes (also nicht zwangsläufig schon im nächsten Jahr, sondern später) kann nach h.M. mit Mehrheit wirksam beschlossen werden, jedenfalls, sofern sich der Beschlussi...