Dipl.-Kfm. Karl-Wilhelm Hofmann
Rz. 600
Ein "inländisches Unternehmen" reicht indessen noch nicht aus. Das Unternehmen muss auch "Arbeitgeber" sein. Es wurde schon dargelegt, dass es im Steuerrecht zwei Arbeitgeberbegriffe gibt. Es war lange umstritten, ob der Arbeitgeberbegriff bei § 38 EStG zivilrechtlich oder wirtschaftlich auszulegen ist. Durch die Einfügung des Satzes 2 in § 38 Abs. 1 EStG hat der Gesetzgeber die Frage geklärt:
Rz. 601
Grundsätzlich gilt bei § 38 EStG der zivilrechtliche Arbeitgeberbegriff. Bei einer Arbeitnehmerentsendung nach Deutschland hinein jedoch der wirtschaftliche. Wird also bei einer Auslandstätigkeit nach Deutschland hinein (Impatriate-Fall) das aufnehmende deutsche Unternehmen mit Gehältern belastet, ist es der wirtschaftliche Arbeitgeber dieses Mitarbeiters. Es besteht dann für das deutsche Unternehmen Lohnsteuereinbehaltpflicht für die im Ausland ausgezahlten und nach Deutschland belasteten Gehälter. Das deutsche Unternehmen muss die Lohnsteuer ermitteln und abführen, obwohl es nicht der zivilrechtliche Arbeitgeber des Mitarbeiters ist. Die Anwendung des wirtschaftlichen Arbeitgeberbegriffs bei Auslandstätigkeiten nach Deutschland hinein hat eine erhebliche Brisanz bei Dienstreisen nach Deutschland. Bei solchen Kurzbesuchen werden die ausländischen Konzernmitarbeiter häufig zum wirtschaftlichen Vorteil des deutschen Konzernunternehmens tätig. Wegen des Arm’s Length Prinzips wird das besuchte deutsche Unternehmen dann mit dem entsprechenden Gehalt des Mitarbeiters belastet. Damit ist das besuchte deutsche Unternehmen für die deutschen Arbeitstage und das dafür belastete Gehalt lohnsteuerpflichtig.
Rz. 602
Bei Auslandstätigkeiten sind grundsätzlich zwei arbeitsrechtliche Gestaltungen möglich:
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Der Mitarbeiter bleibt während der Auslandstätigkeit beim Heimatunternehmen angestellt. Der bisherige Arbeitsvertrag gilt weiter und wird lediglich im Hinblick auf die Auslandstätigkeit modifiziert. Die beiden Unternehmen schließen zusätzlich einen Arbeitnehmergestellungsvertrag ab. In diesem Fall bleibt das Heimatunternehmen der zivilrechtliche Arbeitgeber. |
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Der Mitarbeiter wird während der Auslandstätigkeit beim Gastlandunternehmen angestellt. Der bisherige Arbeitsvertrag mit dem Heimatunternehmen wird ruhend gestellt oder gekündigt. Der Mitarbeiter bekommt einen neuen Arbeitsvertrag mit dem Gastlandunternehmen. In diesem Fall wird das Gastlandunternehmen der zivilrechtliche Arbeitgeber. |
Es kann deshalb anhand der Personalakte leicht geprüft werden, wer der zivilrechtliche Arbeitgeber des Mitarbeiters ist. Nämlich das Unternehmen, mit dem der aktive Arbeitsvertrag besteht. Ist das ein inländisches Unternehmen oder ein ausländisches Unternehmen mit einer Betriebsstätte/einem ständigen Vertreter im Inland, dann hat der Mitarbeiter einen (zivilrechtlichen) inländischen Arbeitgeber. Die zweite Bedingung, inländischer Arbeitgeber, ist dann erfüllt.
Rz. 603
Zusätzlich ist bei Auslandstätigkeiten nach Deutschland hinein, unabhängig davon, wer der zivilrechtliche Arbeitgeber ist, zu prüfen, ob das aufnehmende deutsche Unternehmen mit Gehältern belastet ist. Falls ja, gilt das deutsche Unternehmen ebenfalls als inländisches, lohnsteuerpflichtiges Unternehmen, egal ob es der zivilrechtliche Arbeitgeber des Mitarbeiters ist.
Als Zwischenergebnis kann über das Prüfschema jetzt schon auf einfachem Weg entschieden werden, ob Lohnsteuerpflicht für das Unternehmen besteht oder nicht. Noch nicht behandelt wurde lediglich, ob bei bestehender Lohnsteuerpflicht Ausnahmen davon über den Auslandstätigkeitserlass oder ein DBA möglich sind.
Rz. 604
Checkliste: Lohnsteuereinbehaltungspflicht
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Hat der Mitarbeiter einkommensteuerpflichtige Gehälter?
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Ja, in jedem Fall, wenn er in Deutschland während der Auslandstätigkeit ansässig ist. |
Bei Nichtansässigkeit:
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Ja, soweit er (vereinfachend) Arbeitstage in Deutschland hat, selbst wenn es nur ein Einziger ist. |
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Ansonsten: Nein. |
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Hat der Mitarbeiter einen inländischen Arbeitgeber?
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Ja, wenn er einen – aktiven, nicht ruhenden – Arbeitsvertrag mit einem inländischen Unternehmen hat. |
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Ja, wenn er einen – aktiven, nicht ruhenden – Arbeitsvertrag mit einem ausländischen Unternehmen hat, das im Inland eine Betriebsstätte oder einen ständigen Vertreter hat. |
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Ja, wenn im Fall einer Auslandstätigkeit nach Deutschland hinein, das aufnehmende deutsche Unternehmen mit dem Gehalt belastet ist. |
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Ansonsten: Nein |
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Werden beide Fragen mit "Ja" beantwortet, besteht Lohnsteuerpflicht.
Wird auch nur eine mit "Nein" beantwortet, ist keine Lohnsteuer einzubehalten.