Rz. 610

 

Hinweis:

Für alle folgenden Beispiele wird unterstellt, dass zwischen den beiden beteiligten Ländern ein DBA nach OECD-Muster besteht. Ebenso wird angenommen, dass kein besonderer Mitarbeitertyp gegeben ist und deshalb jeweils direkt der allgemeine Gehaltsartikel im DBA einschlägig ist.

 

Rz. 611

 

Beispiel 32:

Ein Mitarbeiter wird ab 01.01.01 für drei Jahre nach X entsandt. Er behält seinen deutschen Wohnsitz bei, er wird aber auch in X ansässig. Er bleibt bei der deutschen Konzerngesellschaft angestellt und wird auch von hier bezahlt. Der Mitarbeiter arbeitet ausschließlich in X.

 

Lösung:

Es besteht Lohnsteuerpflicht, eine Freistellung nach DBA kann beantragt werden. Der Mitarbeiter hat einkommensteuerpflichtiges Gehalt, weil er hier weiterhin ansässig ist. Er hat auch einen inländischen Arbeitgeber. Da es sich um eine Auslandstätigkeit aus Deutschland heraus handelt, gilt der zivilrechtliche Arbeitgeberbegriff. Der Mitarbeiter hat einen aktiven Arbeitsvertrag mit dem deutschen Unternehmen, das auch sein Gehalt auszahlt. Damit sind beide Bedingungen des § 38 EStG erfüllt und es besteht Lohnsteuerpflicht. Zur Anwendung des DBA muss der Tie-Breaker-Artikel herangezogen werden, weil der Mitarbeiter in beiden Staaten ansässig ist. Angenommen, Deutschland gewinnt den Tie-Breaker und er gilt deshalb als in Deutschland ansässig. Dennoch hat X das Besteuerungsrecht, weil die Arbeit ausschließlich in X ausgeübt wird. Damit ist die erste Bedingung der 183-Tage-Regel – nicht mehr als 183 Tage in X – nicht erfüllt. Damit schwingt das Besteuerungsrecht nicht an Deutschland zurück, es verbleibt beim Nichtansässigkeitsstaat X. Als Ansässigkeitsstaat beseitigt Deutschland die Doppelbesteuerung für Gehälter in aller Regel durch Freistellung unter Progressionsvorbehalt. Damit kann ein Antrag auf Freistellung von der Lohnsteuerpflicht gestellt werden. Der Nachweis der Versteuerung in X muss im Lohnsteuerverfahren noch nicht geführt werden. Würde Deutschland die Doppelbesteuerung durch die Anrechnungsmethode beseitigen, könnte kein Freistellungsantrag gestellt werden.

Wäre nach dem Tie-Breaker-Artikel X der Ansässigkeitsstaat, käme man zum gleichen Ergebnis. X wäre dann nämlich gleichzeitig Ansässigkeits- und Quellenstaat.

 

Rz. 612

 

Hinweis:

Die Frage, welches der beiden Unternehmen das Gehalt letztendlich tragen müsste, ist ein körperschaftsteuerliches Problem. Die Antwort hängt davon ab, für wessen wirtschaftlichen Vorteil der Mitarbeiter tätig ist. Diesem Unternehmen muss der Gehaltsaufwand zugeordnet werden, entweder durch direkte Auszahlung oder über eine entspr. Belastung. Ist der Aufwand nicht vom zivilrechtlichen Arbeitgeber zu tragen, muss ein schriftlicher Vertrag zwischen dem Arbeitgeber und dem anderen Unternehmen abgeschlossen werden. Der Vertrag muss einem Fremdvergleich standhalten. Werden diese Regeln nicht eingehalten, wird bei dem benachteiligten Unternehmen der körperschaftsteuerliche Gewinn entspr. erhöht. Der Gehaltsaufwand kommt dann bei keinem Konzernunternehmen zum Betriebsausgabenabzug (s. Rdn 457 ff., 465 ff.).

 

Rz. 613

 

Beispiel 33:

Wie Beispiel 32. Das Gehalt wird jetzt jedoch nur zu 50 % von der deutschen Gesellschaft gezahlt. Die anderen 50 % zahlt die Konzerngesellschaft in X aus. Dazu gibt es einen Vertrag zwischen den Unternehmen, der diese Zahlstellenfunktion regelt.

 

Lösung:

Auch hier besteht volle Lohnsteuerpflicht. Es kann ein Antrag auf Freistellung nach DBA gestellt werden.

Die Auszahlung des Gehalts durch zwei Stellen ändert nichts daran, dass der Mitarbeiter weiterhin nur einen zivilrechtlichen Arbeitgeber hat, nämlich das deutsche Unternehmen. Die Auszahlung der 50 % durch das Unternehmen in X erfolgt unter einer Vereinbarung zwischen den Unternehmen. Danach zahlt das Unternehmen in X das Gehalt im Namen, im Auftrag und für Rechnung der deutschen Gesellschaft aus. Die arbeitsvertragliche Situation des Mitarbeiters wird dadurch nicht verändert.

Damit hat er weiterhin einkommensteuerpflichtiges Gehalt in Deutschland (da Wohnsitz.) Auch ein inländischer Arbeitgeber liegt vor, weil der Arbeitsvertrag weiterhin nur mit dem deutschen Unternehmen besteht. Damit ist auf das Gesamtgehalt, d.h. auf beide Gehaltsteile, Lohnsteuer einzubehalten. Die Freistellungsmöglichkeit nach DBA ergibt sich weiterhin aus den vorher dargestellten Gründen.

 

Rz. 614

 

Beispiel 34:

Wie Beispiel 33. Allerdings wird jetzt der deutsche Arbeitsvertrag ruhend gestellt und der Mitarbeiter erhält einen neuen Arbeitsvertrag mit dem Unternehmen in X.

 

Lösung:

Es besteht keine Lohnsteuerpflicht. Ein Freistellungsantrag nach DBA ist daher auch nicht erforderlich.

Zwar hat der Mitarbeiter weiterhin einkommensteuerpflichtige Gehälter, weil er hier ansässig ist. Die zweite Voraussetzung des § 38 EStG – der inländische Arbeitgeber – ist jedoch nicht erfüllt. Da es sich um eine Auslandstätigkeit aus Deutschland heraus handelt, gilt der zivilrechtliche Arbeitgeberbegriff. Ein aktiver Arbeitsvertrag besteht nur mit dem Unternehmen in X. X ist ein ...

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