Dr. Stephan Pauly, Dr. Stephan Osnabrügge
Rz. 179
Nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG hat der Betriebsrat ein ggf. mit Hilfe der Einigungsstelle erzwingbares Mitbestimmungsrecht bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen.
Rz. 180
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann der Arbeitgeber eine Telefonanlage, mit der Daten über die geführten Telefongespräche erfasst werden können (z.B. Uhrzeit und Dauer des Gespräches, Rufnummer des angerufenen Teilnehmers) nur mit Zustimmung des Betriebsrates installieren. Die Einführung und Anwendung eines Telefondatenerfassungssystems ist mitbestimmungspflichtig, wenn damit programmgemäß Verhaltens- oder Leistungsdaten der telefonierenden Arbeitnehmer erfasst und derart verarbeitet werden, dass Aussagen über deren Verhalten oder Leistung abrufbar sind.
Rz. 181
Vielfältige Kontrollmöglichkeiten eröffnet das Telekommunikationssystem ISDN. So kann z.B. bei vergeblichen Anrufen gespeichert werden, ob und wie lange ein Arbeitnehmer nicht an seinem Arbeitsplatz anwesend war. Auch kann auf dem Display des Telefons eines Vorgesetzten sichtbar gemacht werden, von welchem Nebenstellenapparat ein Arbeitnehmer anruft. Soweit dies und andere Kontrollmöglichkeiten bestehen, ist die Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG gegeben.
Rz. 182
Bei Dienstgesprächen ist grundsätzlich die vollständige Erfassung von Zahl, Zeitpunkt und Dauer der Gespräche, der vom Arbeitnehmer genutzte Apparat, Gebühreneinheit und Gebühren, die Zielnummer sowie Art des Gespräches (dienstlich oder privat) gerechtfertigt, weil der Arbeitgeber zur Überwachung des vertraglich geschuldeten Verhaltens der Arbeitnehmer berechtigt ist und entgegenstehende vorrangige Interessen der Arbeitnehmer nicht gegeben sind. Bei Privatgesprächen, die aus dienstlichem Anlass geführt werden und für die der Arbeitgeber die Kosten übernimmt, ist die erfassende Zielnummer zur Vermeidung von Missbräuchen jedenfalls dann unbedenklich, wenn der Arbeitnehmer Privatgespräche auf seine Kosten aus dem Betrieb führen kann, ohne dass die Zielnummer erfasst wird. Bei reinen Privatgesprächen, die der Arbeitnehmer selbst bezahlt, können Zahl, Zeit, Zeitpunkt und Dauer der Gespräche, der von ihm benutzte Apparat, Gebühreneinheiten und Gebühren registriert werden.
Rz. 183
Wird beispielsweise eine Gruppe von Außendienstmitarbeitern mit Handys und Autotelefonen ausgestattet, ist dies nur mit Zustimmung des Betriebsrates möglich.
Rz. 184
Standardinternetprogramme (z.B. Microsoft Internet Explorer, Microsoft Outlook, Netscape Navigator) enthalten ebenfalls Überwachungskomponenten, die den Anwendungsverlauf aufzeichnen. Das Softwareprogramm selbst ist keine technische Einrichtung i.S.d. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Vielmehr werden Bildschirmgerät und Rechner erst durch das Programm zu einer Überwachungseinrichtung. Geklärt ist, dass die Nutzung und der Einsatz des Datenverarbeitungssystems SAP ERP zur Personalverwaltung der Mitbestimmung nach § 87 Abs 1 Nr 6 BetrVG unterliegt. Es ist offenkundig, dass für andere softwarebasierte Personalverwaltungssysteme nichts Abweichendes gilt, mag diesen auch "alltägliche Standardsoftware" (hier das Tabellenkalkulationsprogramm Microsoft Excel als Bestandteil des Office-Pakets) zugrunde liegen. Es ist ebenso nicht zweifelhaft, dass es für die "Bestimmung zur Überwachung" i.S.v. § 87 Abs 1 Nr 6 BetrVG nicht auf eine – wie auch immer im Einzelnen verfasste – "Geringfügigkeitsschwelle" ankommt. durch eine Betriebsvereinbarung regeln kann. Die Einführung und Anwendung der Software Microsoft 365 bedarf der Mitbestimmung des Betriebsrats, da die zusätzlichen Anwendungen und Dienste auch die Kontrollmöglichkeiten des Arbeitsgebers erweitern und in ihnen ein höheres Sicherheitsrisiko steckt. Bei für alle einsehbare Outlook-Gruppenkalender, Belastungsstatistiken, Facebook-Accounts mit Feedbackfunktion, Eintragung von Daten in ein System, die dann durch die technische Einrichtung ausgewertet werden (z.B. SAP-ERP), Excel-Tabellen zu Personalverwaltungszwecken und von Arbeitnehmern genutzte Firmen-Twitter-Accounts wird ein Mitbestimmungsrecht bejaht.
Rz. 185
Für § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG kommt es allein auf die objektive Überwachungseignung der technischen Einrichtung an. Navigationssysteme ermöglichen die punktgenaue Ortung des Fahrzeuges, dessen Route sich aus dem Navigationssystem heraus nachvollziehen lässt. Ein Teleaid-System ermöglicht die exakte Ortung des Fahrzeuges. Deswegen wird das Mitbestimmungsrecht in aller Regel eingreifen, weil eine Individualisierung der Arbeitnehmer möglich ist.
Rz. 186
Es genügt, wenn die Einrichtung aufgrund ihrer technischen Gegebenheiten und ihres konkreten Einsatzes objektiv zur Überwachung der Arbeitnehmer geeignet ist. Unerheblich ist, ob dies nur ein Nebeneffekt der technischen Einrichtung ist oder ob die erfassten Arbeitnehmerdaten vom Arbeitgeber ...