Rz. 99
Ist ein Recht gem. §§ 1068, 1069 Abs. 2 BGB übertragbar und wirft es unmittelbar bzw. mittelbar Nutzungen ab, dann kann an diesem Recht ein Nießbrauch bestellt werden. Besondere Regelungen finden sich im Gesetz für den Nießbrauch an einer Leibrente (§ 1073 BGB), an einer Forderung (§§ 1074–1079 BGB), an einer Grund- und Rentenschuld (§ 1080 BGB) sowie an Inhaber- und Orderpapieren (§§ 1081–1084 BGB). Es gelten im Allgemeinen die Vorschriften über den Nießbrauch an Sachen, außer es ergibt sich aus den §§ 1069–1084 BGB nicht etwas Abweichendes (§ 1068 Abs. 2 BGB). Der Nießbrauch an einem Recht lässt ein unmittelbares dingliches Recht entstehen und beinhaltet das Recht auf die Nutzungen. Es gilt dabei zu beachten, dass das Recht, das dem Nießbrauch unterliegt, bei Beeinträchtigung des Nießbrauchs nur aufgehoben oder verändert werden kann, wenn der Nießbraucher zustimmt (§ 1071 BGB). Ohne Zustimmung des Nießbrauchers bleibt das Rechtsgeschäft diesem gegenüber unwirksam.
a) Nießbrauch an einem Unternehmen
Rz. 100
Der Nießbrauch an einem Unternehmen ist gesetzlich nicht geregelt. In § 22 HGB wird seine Zulässigkeit vorausgesetzt. Es besteht die Möglichkeit eines sog. Unternehmensnießbrauchs, wenn der Nießbraucher als Unternehmer auftritt, oder es liegt der sog. Ertragsnießbrauch vor, wenn der Nießbraucher den Ertrag erhält und der Nießbrauchbesteller selbst Unternehmer bleibt. Beim Unternehmensnießbrauch muss die Einräumung des Nießbrauchs an allen Sachen und Rechten des Unternehmens durch konkreten Einzelbestellungsakt stattfinden. Das Umlaufvermögen (§ 266 Abs. 2 HGB) wird dann bei verbrauchbaren Sachen Eigentum des Nießbrauchers. Das Anlagevermögen verbleibt im Eigentum des Nießbrauchbestellers. Der Nießbraucher muss das Unternehmen weiterführen, ohne die Möglichkeit einer wesentlichen Umgestaltung oder Veränderung des Unternehmens zu haben. Für bereits bestehende Verbindlichkeiten haftet der Nießbraucher gem. § 25 HGB. Für neu eingegangene Verbindlichkeiten haftet der Nießbraucher sogar noch nach Beendigung des Unternehmensnießbrauchs.
b) Nießbrauch bei einer Kapitalgesellschaft
Rz. 101
Der Nießbrauch an Aktien und GmbH-Anteilen ist nur als Ertragsnießbrauch möglich. Dabei wird die Übertragung bzw. Abtretung des Anteils erforderlich. Der Gesellschafter bleibt stimmberechtigt, während dem Nießbraucher der Gewinnanteil zusteht. Alle Einzelheiten in diesem Bereich sind höchst umstritten. Nach h.M. in der Lit. steht dem Aktionär gem. § 186 AktG bzw. § 55 GmbHG das Bezugsrecht auf neue Aktien zu. Dieser ist jedoch verpflichtet, dem Nießbraucher hieran die Rechte einzuräumen.
Muster 6.22: Nießbrauch an Kapitalgesellschaftsanteilen
Muster 6.22: Nießbrauch an Kapitalgesellschaftsanteilen
Meine Ehefrau _________________________ erhält als Vermächtnis auf Lebenszeit den Nießbrauch an den mir gehörenden Geschäftsanteilen der _________________________-GmbH. Die Gesellschaftsrechte, insbesondere die Stimmrechte, verbleiben jedoch dem Gesellschafter. Er hat sich jedoch, aller den Nießbraucher beeinträchtigender Handlungen zu enthalten und ist dem Nießbraucher zur Auskunft aller die Gesellschaft betreffenden Angelegenheiten verpflichtet. Hinsichtlich aller Fragen der Bilanzierung und Ergebnisverwendung (z.B. Bilanzierungspolitik, Bilanzfeststellung, Gewinnausschüttung) unterliegt er einer Stimmrechtsbindung an die Weisungen des Nießbrauchers. Der ausgeschüttete Gewinn steht dem Nießbraucher allein zu. Soweit an die Stelle des Geschäftsguthabens ein Abfindungsanspruch tritt, ist hieran – nach Abzug etwaiger Steuerbelastungen – der Nießbrauch ebenfalls zu bestellen.
c) Nießbrauch an der Beteiligung an einer Personengesellschaft
Rz. 102
Nach § 1069 Abs. 2 BGB kann an nicht übertragbaren Rechten kein Nießbrauch bestellt werden. Somit ist zunächst zu klären, ob der Geschäftsanteil, der mit einem Nießbrauch belastet werden soll, übertragbar ist. Dabei muss zwischen der Mitgliedschaft in der Gesellschaft und den einzelnen daraus entspringenden Beteiligungen, insbesondere dem Stimmrecht, streng differenziert werden. Zu beachten ist weiterhin, dass der Inhalt und die Reichweite des Nießbrauchs an der Beteiligung an der Personengesellschaft vorrangig vom Gesellschaftsrecht und nachrangig vom Sachenrecht bestimmt wird (§ 2 EGHGB).
Zur Frage der Rechtsform werden zwei Auffassungen vertreten. Nach der Mindermeinung nimmt der Nießbraucher die volle Gesellschafterstellung ein. Somit liegt kein beschränktes dingliches Recht, sondern ein zeitweiliges Vollrecht vor. Will der Erblasser diese Treuhänderstellung vermachen, muss dies unbedingt in der letztwilligen Verfügung kundgetan werden. Der BGH und ein Teil der Lit.