Rz. 40

In gerichtlichen Verfahren kann es zu Teilfälligkeiten im Rahmen einer einheitlichen Angelegenheit kommen. In diesen Fällen stellt sich die Frage, ob bei einer Teilfälligkeit nach § 8 Abs. 1 S. 2 RVG vor dem 30.6.2020 insoweit der Umsatzsteuersatz von 19 % verbleibt und nur die weitere Vergütung mit dem geringeren Steuersatz zu erheben ist. Die Beantwortung diese Frage hängt davon ab, ob man die Tätigkeit bis zur Teilfälligkeit als eigenständige Teilleistung i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 1a S. 2 UStG ansehen kann. In diesem Fall wäre die Teilleistung mit 19 % zu versteuern und die restliche Leistung mit 16 %. Um es vorwegzunehmen: Bei den anwaltlichen Tätigkeiten im Rahmen der gesetzlichen Vergütung kann bei Teilfälligkeiten nicht von solchen Teilleistungen ausgegangen werden, weil es sich nicht um abgrenzbare Teile einer Gesamtleistung handelt und auch die Vergütung nicht für die Teile gesondert erhoben wird, sondern insgesamt. Hier verhält es sich anders als bei einer Vergütungsvereinbarung, bei der Teilleistungen möglich sind (s.u. Rdn 54).

 

Rz. 41

 

Beispiel:

Der Anwalt hatte im April 2020 den Auftrag erhalten, eine Klage einzureichen. Der Beklagte hatte sich nicht gemeldet, so dass auf Antrag des Klägers nach § 331 Abs. 3 ZPO ein Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren erging. Der Beklagte hatte durch seinen Anwalt Einspruch einlegen lassen. Es kam zur mündlichen Verhandlung im Juli. Die Sache endete durch Vergleich im August 2020.

Da ein Versäumnisurteil eine Kostenentscheidung erhält, ist die bis dato angefallene Vergütung gemäß § 8 Abs. 1 S. 2 RVG fällig geworden. Der Anwalt konnte insoweit wie folgt abrechnen, und zwar mit 19 % Umsatzsteuer, da im April 2020 noch der Steuersatz von 19 % galt.

I. Abrechnung nach Versäumnisurteil

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 7.200,00 EUR)   592,80 EUR
2. 0,5-Terminsgebühr, Nr. 3104, 3105 VV RVG (Wert: 7.200,00 EUR)   228,00 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG   20,00 EUR
  Zwischensumme 840,80 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG   159,75 EUR
  Gesamt   1.000,55 EUR

Die weitere Vergütung ist dagegen erst mit Abschluss des Vergleichs fällig geworden (§ 8 Abs. 1 S. 1 RVG). Würde man hinsichtlich der Tätigkeit bis zum Versäumnisurteil von einer Teilleistung ausgehen, dann wäre wie folgt zu rechnen:

II. Schlussrechnung

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 7.200,00 EUR)   592,80 EUR
2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 7.200,00 EUR)   547,20 EUR
3. 1,0-Einigungsgebühr, Nr. 1000, 1003 VV RVG (Wert: 7.200,00 EUR)   456,00 EUR
4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG   20,00 EUR
5. abzüglich bereits gezahlter (netto)   – 840,80 EUR
  Zwischensumme 775,20 EUR  
6. 16 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG   124,03 EUR
  Gesamt   899,23 EUR
 
Insgesamt (I. + II.): 1.899,78 EUR

Die Tätigkeit bis zum Erlass des Versäumnisurteils stellt aber keine eigenständige Teilleistung i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 1a S. 2 UStG dar, für die eine gesonderte Vergütung gezahlt wird. Hier tritt vielmehr lediglich eine vorzeitige Teilfälligkeit ein. Dieser Fall ist vergleichbar mit einem Vorschuss. Das folgt schon daraus, dass für die weitere Tätigkeit nach dem Versäumnisurteil keine gesonderte Vergütung anfällt, sondern sich die bisherige Vergütung erhöht. Die Verfahrensgebühr wird als Dauergebühr zwar erneut ausgelöst, kann aber insgesamt nur einmal geltend gemacht werden (§ 15 Abs. 2 RVG). Die bisherige Terminsgebühr erstarkt von 0,5 auf 1,2. Hieraus ist zu ersehen, dass die bisherige Vergütung in der weiteren Vergütung aufgeht. Es liegen damit keine gesondert abgrenzbaren und gesondert zu vergütenden Leistungen vor, zumal der Anwalt auch nicht verpflichtet ist, teilfällige Beträge abzurechnen.

Hieraus folgt, dass das gesamte Mandat einheitlich mit 16 % zu versteuern und wie folgt abzurechnen ist.

II. Schlussrechnung neu

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 7.200,00 EUR)   592,80 EUR
2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 7.200,00 EUR)   547,20 EUR
3. 1,0-Einigungsgebühr, Nr. 1000, 1003 VV RVG (Wert: 7.200,00 EUR)   456,00 EUR
4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.616,00 EUR  
5. 16 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG   258,56 EUR
  Gesamt   1.874,56 EUR
6. abzüglich gezahlter netto   – 840,80 EUR
7. abzüglich gezahlter 19 % Umsatzsteuer   – 159,75 EUR
  Restbetrag   874,01 EUR
 
Insgesamt ergeben sich jetzt (I. + II.): 1.874,56 EUR

Faktisch kommen dem Mandanten also 3 % Steuerdifferenz aus 840,80 EUR zugute (25,22 EUR) zugute, die der Anwalt vom Finanzamt rückvergütet erhält.

 

Rz. 42

 

Beispiel:

Der Anwalt hatte im September 2020 den Auftrag erhalten, eine Klage einzureichen. Der Beklagte hatte sich nicht gemeldet, so dass auf Antrag des Klägers nach § 331 Abs. 3 ZPO ein Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren ergangen ist. Der Beklagte hatte durch seinen Anwalt Einspruch gelegt. Es kam zur mündlichen Verhandlung im Dezember 2020. Die Sache endet durch Vergleich im Januar 2021.

Nach Erlass des Versäumnisu...

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