Dipl.-Kfm. Michael Scherer
Rz. 36
→ Dazu Aufgaben Gruppen 10 und 12
Die in Nr. 3104 VV RVG normierte Terminsgebühr wird durch Nr. 3105 VV RVG im Hinblick auf ihre Höhe ergänzt, indem in der ersten Instanz der Gebührensatz in den genannten Fällen auf eine 0,5 Terminsgebühr vermindert wird. Die Terminsgebühr kann sich insbesondere unter der Voraussetzung reduzieren, dass zu einem Verhandlungstermin eine der Parteien (in Familiensachen: Beteiligte) nicht erschienen oder nicht ordnungsgemäß vertreten ist.
Bei Nichterscheinen einer Partei oder nicht ordnungsgemäßer Vertretung (z. B. vor dem Landgericht) entsteht die ermäßigte Terminsgebühr,
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wenn nicht verhandelt wird und |
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die erschienene Partei ein Versäumnisurteil beantragt oder |
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die erschienene Partei einen Antrag nur zur Prozess- oder Sachleitung stellt. |
Rz. 37
Auch bei Erlass eines Versäumnisurteils im schriftlichen Vorverfahren, wenn der Beklagte seine Verteidigungsabsicht nicht innerhalb der Notfrist von zwei Wochen anzeigt, erwächst für den RA des Klägers eine verminderte Terminsgebühr unter der Voraussetzung, dass er den Erlass des Versäumnisurteils bereits in der Klageschrift beantragt hatte (Nr. 3105 Anm. Abs. 1 Ziff. 2 VV RVG).
Inzwischen hat der BGH entschieden, dass die 0,5 Terminsgebühr unabhängig davon entsteht, ob das Versäumnisurteil nach § 331 Abs. 3 ZPO auf einem entsprechenden Antrag des Klägers beruht, da nach dem Wortlaut in Nr. 3105 Anm. Abs. 1 Ziff. 2 VV RVG für das Entstehen der Gebühr maßgeblich ist, dass das Versäumnisurteil "ergeht" (BGH, Beschluss vom 24.01.2017 – VI ZB 21/16).
Dennoch ist es wohl sinnvoll, den Antrag auf Erlass des Versäumnisurteils nach § 331 Abs. 3 ZPO schon in der Klageschrift zu stellen, damit der Kläger sicher sein kann, dass das Gericht ein Versäumnisurteil erlässt.
Rz. 38
Hinweis:
Auch wenn im vereinfachten Verfahren nach § 495a ZPO (siehe § 3 Rdn 14) das Amtsgericht ein Versäumnisurteil nach § 331 Abs. 3 ZPO erlässt, reduziert sich die Terminsgebühr nach Nr. 3105 Anm. Abs. 1 Ziff. 2 VV RVG auf den Gebührensatz von 0,5 (AG Pforzheim, Beschluss vom 07.12.2018 – 8 C 121/18).
Rz. 39
Hinweis:
Zur Sprachregelung: In Familiensachen beantragt ein Beteiligter eine Versäumnisentscheidung, da es in diesen Verfahren nach dem FamFG keine Parteien und keine Urteile gibt (vgl. Nr. 3105 VV RVG).
Beispiel:
Zum Termin zur mündlichen Verhandlung erscheint nur der RA des Klägers, der einen Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils stellt.
Es entsteht eine 0,5 Terminsgebühr nach Nr. 3105 VV RVG – selbstverständlich nur für den RA des Klägers.
Gegenbeispiel:
Zum Termin zur mündlichen Verhandlung erscheinen die RAe beider Parteien. Die Sach- und Rechtslage wird mit dem Gericht erörtert.
Danach erklärt der RA des Beklagten, er wolle nicht verhandeln – das heißt, er stellt keinen Antrag. Daraufhin ergeht ein Versäumnisurteil auf Antrag des Klägervertreters.
Es entsteht eine 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3104 Anm. Abs. 1 Ziff. 1 VV RVG – für beide RAe.
Begründung: Die Voraussetzungen nach Nr. 3105 VV RVG sind nicht erfüllt, da erstens beide Parteien erschienen waren und zweitens außer dem Antrag auf Erlass des Versäumnisurteils auch noch eine Erörterung stattfand. Dies ist ausdrücklich in Nr. 3105 Anm. Abs. 2 VV RVG so geregelt.
Rz. 40
Hinweis:
Aus prozesstaktischen Gründen kann es geschehen, dass eine Partei im Verhandlungstermin zwar erscheint, sich aber weigert, zu verhandeln. Jetzt muss man wissen, dass "verhandeln" im Sinne der ZPO heißt, Anträge zu stellen. Eine Partei, die nicht verhandelt, stellt also keine Anträge. In diesem Fall gilt sie nach § 333 ZPO verfahrensrechtlich als nicht erschienen und es wird ein auf Antrag Versäumnisurteil gegen sie ergehen. Gebührenrechtlich ist aber diese Vorschrift der ZPO ausgeschlossen worden (Nr. 3105 Anm. Abs. 2 VV RVG), sodass in diesem Fall für beide anwesenden RAe eine 1,2 Terminsgebühr entsteht. Es kommt also im Gebührenrecht tatsächlich nur darauf an, ob ein RA im Termin anwesend ist, nicht auf das, was er dort leistet.
Beispiel:
Im schriftlichen Vorverfahren hat der Beklagte erst nach 3 Wochen angezeigt, dass er sich gegen die Klage verteidigen wolle. Auf den bereits in der Klageschrift gestellten Antrag des Klägers ergeht ein Versäumnisurteil ohne mündliche Verhandlung.
Es entsteht eine 0,5 Terminsgebühr nach Nr. 3105 VV RVG – selbstverständlich nur für den RA des Klägers. Es entsteht jedoch eine gerichtliche 3,0 Verfahrensgebühr nach Nr. 1210 KV GKG.
Gegenbeispiel:
Im schriftlichen Vorverfahren erkennt der Beklagte durch seinen RA die eingeklagte Forderung an. Daraufhin ergeht von Amts wegen ein Anerkenntnisurteil ohne mündliche Verhandlung gegen den Beklagten (§ 307 ZPO).
Es entsteht eine 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3104 Anm. Abs. 1 Ziff. 1 VV RVG – für beide RAe.
Wenn der Beklagte dagegen ein Versäumnisurteil gegen sich in Kauf nimmt, entsteht also nur eine 0,5 Terminsgebühr. Andererseits führt das Anerkenntnisurteil auch nach Nr. 1211 Ziff. 2 KV GKG zu einer Reduzierung der gerichtlichen Verfahrensgebühr auf 1,0.
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