Dipl.-Kfm. Michael Scherer
Rz. 105
→ Dazu Aufgaben Gruppe 21
Das Beschwerdeverfahren und die nicht in § 19 Abs. 1 Ziff. 5 RVG genannten Erinnerungsverfahren gehören nicht zum Rechtszug. Das Verfahren über die Beschwerde und über die meisten Erinnerungen zählt also gebührenrechtlich als besondere Angelegenheit (§ 18 Abs. 1 Ziff. 3 RVG). Daher erhält der in diesen Verfahren tätige RA hierfür gesonderte Gebühren. Zur Abgrenzung der Beschwerde von der Erinnerung siehe § 1 Rdn 70 ff.
Rz. 106
Hinweis:
Die Gebühren für die Beschwerde und die Erinnerung nach den Nrn. 3500 ff. VV RVG gelten gemäß Vorbemerkung 3.5 VV RVG nicht für Beschwerden in Familiensachen. In Familiensachen werden die Gebühren für Beschwerden und Rechtsbeschwerden nach den Nrn. 3200 ff. bzw. 3206 ff. VV RVG berechnet.
Rz. 107
Die Gebühren für die meisten Beschwerden und Erinnerungen und für die Nichtzulassungsbeschwerde sind in Teil 3, Abschnitt 5 VV RVG geregelt. Für Tätigkeiten im Beschwerde- oder Erinnerungsverfahren erhält der RA eine 0,5 Verfahrensgebühr nach Nr. 3500 VV RVG. Falls der RA in einem solchen Verfahren eine Tätigkeit in einem Termin im Sinne der Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV RVG entfaltet, erwächst ihm zusätzlich eine 0,5 Terminsgebühr nach Nr. 3513 VV RVG. Die Vorschriften der Nrn. 3500, 3513 VV RVG gelten sowohl für den RA, der das Verfahren betreibt, als auch für den RA, der den Gegner vertritt.
Achtung:
Auch in der zweiten Instanz beträgt der Gebührensatz nur 0,5. Falls der RA im Beschwerde- oder Erinnerungsverfahren entsprechend tätig geworden ist, erhält er auch eine Terminsgebühr. Im Normalfall wird aber nur die Verfahrensgebühr entstehen, da über Beschwerden in den meisten Fällen ohne mündliche Verhandlung und ohne Beweiserhebung entschieden wird.
Für die Erinnerung oder die Beschwerde gegen die Festsetzung der aus der Staatskasse zu gewährenden Vergütung bei Prozesskostenhilfe erhält der RA jedoch keine Gebühren (§ 56 Abs. 2 RVG).
Rz. 108
Als Gegenstandswert ist im Allgemeinen der Betrag anzunehmen, dessen Ab- oder Festsetzung der RA in dem Beschwerdeverfahren fordert.
Rz. 109
Werden in demselben Rechtsstreit mehrere Beschwerden oder Erinnerungen gegen verschiedene gerichtliche Entscheidungen eingelegt, so grundsätzlich jede Beschwerde oder Erinnerungen gebührenrechtlich als besondere Angelegenheit, sodass die Gebühren jeweils neu entstehen (§ 18 Abs. 1 Ziff. 3 RVG).
Rz. 110
Vermutlich werden Sie besonders häufig mit Erinnerungen oder Beschwerden gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss beschäftigt sein. Während das Kostenfestsetzungsverfahren selbst weder Gerichtsgebühren verursacht noch für den prozessbevollmächtigten RA gemäß § 19 Abs. 1 Ziff. 14 RVG Anwaltsgebühren entstehen lässt, können dagegen im Erinnerungs- oder Beschwerdeverfahren gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss Gebühren entstehen.
Beachten Sie folgende Ausnahme: Nur im Kostenfestsetzungsverfahren gelten mehrere Verfahren über die Beschwerde oder die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss gemäß § 16 Ziff. 10 RVG als dieselbe Angelegenheit, sodass die Gebühren nur einmal entstehen. Bei verschiedenen Gegenständen sind in diesem Fall deren Werte nach § 22 Abs. 1 RVG zu addieren. Wenn sich mehrere Beschwerden oder Erinnerungen gegen denselben Kostenfestsetzungsbeschluss richten, spielt es keine Rolle, ob die Rechtsbehelfe gleichzeitig oder nacheinander eingelegt werden. Es ist also auch dann nur eine Angelegenheit, wenn zuerst die Erinnerung oder Beschwerde der einen Partei eingelegt wird und dann, wenn über diesen Rechtsbehelf entschieden ist, die andere Partei gegen diese Entscheidung Beschwerde oder Erinnerung einlegt, da es immer noch um denselben Kostenfestsetzungsbeschluss geht. Das gleiche gilt für mehrere Beschwerden oder Erinnerungen im Kostenansatzverfahren.
Merke:
Für seine Tätigkeit im Erinnerungs- oder Beschwerdeverfahren können dem RA eine 0,5 Verfahrensgebühr und gegebenenfalls eine 0,5 Terminsgebühr entstehen. Nur 0,5 gibt es auch in der zweiten Instanz.
Nur im Kostenfestsetzungsverfahren gelten mehrere Verfahren über die Beschwerde oder die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss als dieselbe Angelegenheit.
Gegenstandswert ist der Betrag, dessen Ab- oder Festsetzung gefordert wird, also der Änderungsbetrag, der mit der Beschwerde oder Erinnerung erreicht werden soll.
Rz. 111
Eine Erhöhung der Verfahrensgebühr um jeweils 0,3 für mehrere Auftraggeber ist möglich.
Rz. 112
Eine Ermäßigung der Verfahrensgebühr nach Nr. 3500 VV RVG wegen vorzeitiger Beendigung des Auftrages ist nicht vorgesehen, sodass die Gebühr auch dann 0,5 beträgt, wenn nach Auftragserteilung sich die Sache vorzeitig erledigt.
Beispiel:
RA Blau reicht wegen der vom Gegner zu ersetzenden Prozesskosten einen Kostenfestsetzungsantrag über 2.540,00 EUR ein. Im Kostenfestsetzungsbeschluss setzt der Rechtspfleger aufgrund der Stellungnahme des Gegners jedoch nur 2.010,00 EUR fest. RA Blau legt gegen den Beschluss sofortige Beschwerde ein. Danach führt er ein längeres Telefongespräch mit dem gegnerischen Prozes...