Dr. iur. Tobias Spanke, Walter Krug
Rz. 36
Nicht testierfähig sind gemäß § 2229 Abs. 4 BGB Personen, die infolge krankhafter Störung der Geistestätigkeit, Geistesschwäche oder Bewusstseinsstörungen nicht in der Lage sind, die Bedeutung einer von ihnen abgegebenen Erklärung zu erkennen. Insoweit handelt es sich bei der Testierunfähigkeit um einen Unterfall der Geschäftsunfähigkeit. Für die Testierfähigkeit muss der Erblasser neben den allgemeinen Vorstellungen über die Errichtung einer Verfügung von Todes wegen sich auch über die Tragweite und die Auswirkungen auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen im Klaren sein. Der Testierende muss fähig sein, sich die Gründe für und gegen seine Entscheidung zu vergegenwärtigen und sie gegeneinander abzuwägen, sich also selbstständig und aus eigener Kraft ein Urteil zu bilden.
Rz. 37
Die Tatsache, dass der testierende Erblasser unter einer Betreuung stand, sagt grundsätzlich nichts über seine Testierfähigkeit aus. Hat nämlich der unter Betreuung stehende Erblasser "lichte Momente" (lucida intervalla), dann kann er durchaus ein wirksames Testament bzw. eine wirksame Verfügung von Todes wegen während einer solchen "Phase" errichten. Problematisch dürfte in einem solchen Fall aber regelmäßig die Beweislage sein.
Auch Rauschgiftsucht und Psychopathie schließen die Testierfähigkeit grundsätzlich nicht aus.
Rz. 38
Als besonders schwierig erweist sich in der Regel die altersbedingte Einschränkung bzw. der altersbedingte Wegfall der Testierfähigkeit, da dieser Zustand auch medizinisch schwierig zu fassen und mit sehr vielen Zweifeln behaftet ist. Dies gilt nicht zuletzt deshalb, weil es sich bei einer alters- oder krankheitsbedingten Demenz oftmals um einen langwierigen Prozess handelt.
Für den beratenden Anwalt oder Notar ist die Situation in zweierlei Hinsicht schwierig. Zum einen muss er darauf achten, dass in dem Fall, in dem Anhaltspunkte für mangelnde Testierfähigkeit vorliegen, diese festzustellen bzw. durch ein ärztliches Gutachten als nicht vorhanden abzusichern ist, und zum anderen, dass er dem betreffenden Mandanten in diesem Fall mit seinem Handeln persönlich sehr nahe kommt, was dazu führen kann, dass der Mandant sich bevormundet fühlt und die weitere Beratung abbricht. Trotzdem sollte der Anwalt sich nicht scheuen, bei Anhaltspunkten für einen geistigen Abbau Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Hierfür ist es sinnvoll, dass er sich bestätigen lässt, aus medizinischer Sicht bestünden keinerlei Bedenken gegen die Testierfähigkeit des Mandanten. Am besten wäre hierbei die Bestätigung eines Facharztes für Psychiatrie – aber auch ein Attest des Hausarztes ist besser als gar keine Bestätigung.
Hinweis
Ein Erblasser ist so lange als testierfähig anzusehen, wie eine Testierunfähigkeit nicht bewiesen ist. Dabei trägt derjenige die Feststellungslast für die Testierunfähigkeit, der sich hierauf beruft.
Rz. 39
Die Wirksamkeit eines gemeinschaftlichen Testaments setzt die Testierfähigkeit beider Ehegatten voraus. Ist einer der Ehegatten testierunfähig, dann scheidet eine Bindungswirkung gemäß § 2270 Abs. 1 BGB aus. Inwieweit die Verfügung des anderen Ehegatten danach aufrechterhalten werden kann, hängt zum einen von der Einhaltung der Testamentsform ab und ist zum anderen durch Auslegung zu ermitteln.
Vgl. zur fehlerhaften Prüfung der Testier- anstatt der Geschäftsfähigkeit, wenn der Erblasser letztwillig in Form eines Erbvertrages verfügt hat, BayObLG NJW-FER 1997, 12.