Dr. iur. Tobias Spanke, Walter Krug
Rz. 153
Aus der nur schuldrechtlichen Natur des Vermächtnisses folgt, dass der Bedachte nur einen Anspruch auf Bestellung des Nießbrauchs hat. Bezieht sich der Nießbrauch auf die ganze Erbschaft, so ist er an den einzelnen zum Nachlass gehörenden Gegenständen zu bestellen. Bei Nießbrauchsbestellungen an einem Erbteil bedarf die dingliche Einigung über die Nießbrauchseinräumung der notariellen Beurkundung, siehe §§ 1069 Abs. 1, 2033 Abs. 1 BGB.
Um bei größeren Erbengemeinschaften dem Problem aus dem Weg zu gehen, dass einzelne Erben die Abgabe der notwendigen Einigungserklärung nach § 873 BGB und der Grundbucherklärungen verweigern, kann, soweit es den Erblasser anbelangt, sein Teil der dinglichen Einigung bereits in der Verfügung von Todes wegen erklärt werden (siehe unten Rdn 158).
Rz. 154
Die nach § 873 BGB erforderliche dingliche Einigung zur Bestellung des Nießbrauchs an einzelnen Gegenständen oder an Rechten kann also bezüglich des Erblassers direkt in die Urkunde über die letztwillige Verfügung aufgenommen werden. Die Einigungserklärungen beider Teile brauchen hier – im Unterschied zur Auflassung – nicht gleichzeitig abgegeben zu werden. Der Tod des Erblassers beeinträchtigt die Wirksamkeit seiner abgegebenen Willenserklärung nicht, § 130 Abs. 2 BGB. Der Vermächtnisnehmer kann seine dingliche Einigungserklärung auch noch später nach Eintritt des Erbfalls abgeben. Ist diese dingliche Einigungserklärung in einer notariellen Urkunde enthalten, so ist sie bindend und wirkt demnach auch für die Erben, § 873 Abs. 2 BGB (siehe unten Rdn 158).
Rz. 155
Zur Sicherung des Erfüllungsanspruchs ist es denkbar, dem Nießbrauchsvermächtnisnehmer eine postmortale Vollmacht innerhalb oder außerhalb der Verfügung von Todes wegen zu erteilen zur Erklärung der Einigung und zur Abgabe der grundbuchrechtlich erforderlichen Eintragungsbewilligung (§§ 873 BGB, 19 GBO) (siehe unten Rdn 159).
Rz. 156
In Rechtsprechung und Schrifttum ist zwischenzeitlich geklärt, dass eine Bevollmächtigung auch in einer Urkunde enthalten sein kann, die ansonsten nur eine letztwillige Verfügung enthält. Die Vollmacht ist zwar eine nach § 130 Abs. 1 BGB empfangsbedürftige Willenserklärung. Im Hinblick auf die Vorschriften über die Testaments- und Erbvertragseröffnung und über die Benachrichtigung der Nachlassbeteiligten ist aber sichergestellt, dass der Bevollmächtigte Kenntnis von der Vollmachtserteilung erlangt, § 130 Abs. 2 BGB, so dass die Vollmacht auch noch nach dem Tod des Erklärenden (Erblassers) wirksam wird. Ein ausdrücklicher Ausschluss der Widerrufsmöglichkeit der Vollmacht durch die Erben ist zu empfehlen.
Rz. 157
Für den Nachweis der Vollmacht gegenüber dem Grundbuchamt ist in aller Regel die Vorlage einer Ausfertigung der Vollmachtsurkunde beim Grundbuchamt erforderlich (§ 29 GBO, § 47 BeurkG). Da das Nachlassgericht aber nur beglaubigte Abschriften von einer Verfügung von Todes wegen und dem Eröffnungsprotokoll erteilt, diese aber gemäß § 35 Abs. 1 GBO auch zum Nachweis des Erbrechts ausreichen, muss auch für den Nachweis der Vollmacht eine derartige beglaubigte Abschrift ausreichen, wenn sie in der Verfügung von Todes wegen erklärt wurde. Ist die Verfügung von Todes wegen notariell beurkundet, so braucht selbst dann, wenn der Nießbrauch an einem Grundstück zu bestellen ist, der Vermächtnisnehmer nur noch einen formlosen Eintragungsantrag (§ 13 GBO) beim Grundbuchamt zu stellen. Die vom Erblasser abzugebende Eintragungsbewilligung nach § 19 GBO ist in der nach § 29 GBO erforderlichen Form erteilt.
In Betracht kommt auch die Ernennung des Vermächtnisnehmers zum Testamentsvollstrecker mit dem Aufgabenbereich, den Nießbrauchsanspruch zu erfüllen.
Rz. 158
Formulierungsbeispiel: Nießbrauchsvermächtnis mit Einigungserklärung und Eintragungsbewilligung des Erblassers
Meiner Ehefrau wende ich im Wege des Vermächtnisses den lebenslangen unentgeltlichen Nießbrauch an den Grundstücken (...) zu. Die erforderliche dingliche Einigungserklärung gemäß § 873 Abs. 1 BGB gebe ich hiermit ab und bewillige die Eintragung des Nießbrauchs im Grundbuch (§ 873 Abs. 2 BGB, § 19 GBO).
Rz. 159
Formulierungsbeispiel: Nießbrauchsvermächtnis mit Vollmacht für Vermächtnisnehmer
Meiner Ehefrau wende ich im Wege des Vermächtnisses den lebenslangen unentgeltlichen Nießbrauch an den Grundstücken (...) zu. Ich bevollmächtige sie hiermit, für meine Erben unwiderruflich unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB mit Wirkung ab meinem Tode sämtliche Erklärungen abzugeben, damit das Nießbrauchsrecht im Grundbuch eingetragen werden kann.