Dr. iur. Klaus-Peter Horndasch
Rz. 20
Vereinbarungen über den Ausschluss bestimmter gesetzlicher Regelungen im Rahmen der Ehe, der Trennung und Scheidung sind grundsätzlich zulässig, unterliegen jedoch namentlich seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 6.2.2001 engen Grenzen.
1. Schutz vor unangemessener Benachteiligung
Rz. 21
In dieser Entscheidung und noch einmal deutlich in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 29.3.2001 ist deutlich erklärt worden, dass in Eheverträgen der Schutz vor unangemessener Benachteiligung beachtet werden muss. Ein Ehevertrag darf die Unterlegenheitsposition einer Partei nicht durch ihre einseitige vertragliche Belastung und die unangemessene Berücksichtigung der Interessen der anderen Partei ausdrücken. Das Bundesverfassungsgericht hat deutlich festgelegt:
Zitat
"Ein Verzicht auf gesetzliche Ansprüche bedeutet insbesondere für den Ehegatten eine Benachteiligung, der sich unter Aufgabe einer Berufstätigkeit der Betreuung des Kindes und der Arbeit im Hause widmen soll. Je mehr im Ehevertrag gesetzliche Rechte abbedungen werden, desto mehr kann sich der Effekt einseitiger Benachteiligung verstärken."
Das BVerfG verlangt für die Frage der Korrekturbedürftigkeit eines Ehevertrages eine "Gesamtschau" der persönlichen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse der Parteien im Zeitpunkt des Vertragsschlusses und im Zeitpunkt der Scheidung.
Rz. 22
Zu den Risikofaktoren bei Eheverträgen kann die folgende Checkliste als Hilfestellung dienen:
Risikofaktoren ja:
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Vertragsschluss in einer Zwangssituation (Terminsnot, Schwangerschaft, wirtschaftliche Abhängigkeit, Drohung, Täuschung). |
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Für einen Vertragsteil werden sämtliche Rechte abbedungen. |
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Gemäß der Gesamtschau der Verhältnisse wurde ein wesentliches Teilrecht abbedungen. |
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Die notarielle Belehrung (§ 17 BeurkG) war unterblieben oder mangelhaft, so dass der oder die Beteiligten die Tragweite des Geschäfts nicht verstanden haben (oder haben wollen). |
Risikofaktoren nein:
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Nur ein unwesentliches Teilrecht abbedungen. |
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Vertrag von jungen Leuten mit stabiler Einkommenssituation geschlossen. |
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Beim Globalverzicht wurden ausreichende, gleichwertige Kompensationsleistungen vereinbart (Lebensversicherungen, Grundstücksübereignung, Geldanlage). |
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Ehepartner wollen beide freiberuflich tätig sein und haben daher aus Risikogründen Teilhaberrechte abbedungen. |
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Ehepartner haben keinen Kinderwunsch, feste und zukunftssichere Einkünfte und schließen sämtliche Teilhaberechte aus. |
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Beide Ehepartner haben unbelastete Immobilien, bereits ausreichende Rentenanwartschaften und verfügen über Ausbildungen in krisensicheren Berufen (Idealfall). |
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Junge Ehepartner haben bei Vertragsschluss sichere Einkommensquellen, akademische Ausbildungen, Berufserfahrung, dauerhafte Chancen auf dem Arbeitsmarkt, kein eigenes unbewegliches Vermögen, Absicherung durch Elternvermögen und einen Globalverzicht vereinbart. |
Hinweis
Ein gerichtlicher Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit eines Ehevertrages ist mangels Feststellungsinteresses unzulässig, solange kein Scheidungsantrag gestellt und auch sonst offen ist, ob es zur Scheidung der Parteien kommt.
Die Nichtigkeit eines Ehevertrages kann aber gemäß § 139 BGB auch nicht aus einer Bestimmung hergeleitet werden, die bei der Vertragsdurchführung nicht zur Anwendung kommen konnte.
2. Vertragsfreiheit und Inhaltskontrolle
Rz. 23
In seinem Urt. v. 11.2.2004 hat der BGH das Spannungsverhältnis zwischen der grundsätzlichen Disponibilität der Scheidungsfolgen einerseits und dem nicht akzeptablen unterlaufen des Schutzzweckes der gesetzlichen Regelungen durch vertragliche Vereinbarungen andererseits aufgezeigt. Eine unzumutbare Lastenverteilung sei umso eher gegeben, je mehr die vertragliche Abbedingung der gesetzlichen Regelungen in den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts eingreifen, sog. Kernbereichslehre.
Rz. 24
Zu diesem Kernbereich gehören in erster Linie der Betreuungsunterhalt, danach weitere Unterhaltstatbestände sowie Regelungen zum Versorgungsausgleich.
Demgegenüber erweist sich, so der BGH, der Zugewinnausgleich ehevertraglicher Disposition am weitesten zugänglich. Die eheliche Lebensgemeinschaft sei nicht notwendig auch eine Vermögensgemeinschaft. Das Eheverständnis erfordere keine bestimmte Zuordnung des Vermögenserwerbs in der Ehe.
Der BGH nimmt damit eine Rangabstufung bereits innerhalb der nachehelichen Unterhaltstatbestände vor und baut damit eine Prüfungsreihenfolge auf, die im Anschluss eine Gesamtschau ermöglichen soll.
Hinweis
Zur Stufenprüfung (Kernbereichslehre) im Einzelnen