Rz. 36
Schließt der Versicherer einen Abfindungsvergleich, in dem eine Ausnahme für in der Zukunft mögliche Schäden vorgesehen ist, so beendet dieser Vergleich nach § 115 Abs. 2 S. 3 VVG für alle (d.h. auch die zukünftigen) Schäden die durch die Anmeldung der Schadensersatzforderungen eingetretene Hemmung der Verjährung. Eine gesonderte schriftliche Entscheidung des Versicherers über die angemeldeten Ansprüche ist nicht erforderlich, wenn in dem Abfindungsvergleich der Wille des Versicherers deutlich erkennbar wird, die Schadensregulierung endgültig abschließen zu wollen.
Rz. 37
Im Übrigen ist zu beachten, dass einem Teilabfindungsvergleich mit Vorbehalt kein Verzicht auf die Einrede der Verjährung immanent ist. Der Abfindungsvergleich stellt vielmehr i.d.R. lediglich ein Anerkenntnis i.S.d. § 212 BGB dar, das den Neubeginn der – dann "ungebremst" laufenden – dreijährigen Verjährungsfrist des § 195 zur Folge hat. Beispielsweise hat ein Schmerzensgeld-Abfindungsvergleich unter Vorbehalt materieller Ansprüche für eventuelle Spätschäden für die Verjährung der Ansprüche keine Bedeutung. Der Rechtsanwalt des Geschädigten muss auch zur Vermeidung einer Eigenhaftung dafür Sorge tragen, dass künftige Ansprüche des Geschädigten nicht verjähren. Dazu kann er entweder einen Verjährungsverzicht oder ein sogenanntes titelersetzendes Anerkenntnis in den Abfindungsvergleich aufnehmen lassen. Anders als beim Verjährungsverzicht werden bei dem titelersetzenden Anerkenntnis die Ansprüche zwar 30 Jahre lang offengehalten. Der weitere Schaden muss allerdings spätestens drei Jahre nach dem Schluss des Jahres, in dem der Geschädigte Kenntnis davon erlangt hat, geltend gemacht werden.
Rz. 38
Diese Absicherung wird durch § 202 Abs. 2 BGB ermöglicht, nach welchem die Parteien eines Vertrages eine Vereinbarung über die Länge der Verjährungsfrist bis zu einer Obergrenze von 30 Jahren ab gesetzlichem Verjährungsbeginn treffen können. Deshalb bietet es sich an, in dem jeweiligen Vorbehalt eine ausdrückliche Bezugnahme auf einen gesetzlichen Verjährungstatbestand mit der längst möglichen, also 30-jährigen, Verjährungsfrist festzuschreiben. Einen solchen Verjährungstatbestand enthält § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB, nach welchem Ansprüche aus einem rechtskräftigen Feststellungsurteil innerhalb von 30 Jahren verjähren, wobei der Lauf dieser Frist gem. § 201 BGB mit dem Eintritt der formellen Rechtskraft des Urteils einsetzt.
Rz. 39
Um zu verhindern, dass die für die Zukunft vorbehaltenen Ansprüche innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB) verjähren, sollte in dem Abfindungsvergleich deshalb ausdrücklich festgehalten werden, dass das Anerkenntnis, zum Ausgleich der vorbehaltenen zukünftigen Ansprüche verpflichtet zu sein, mit den Wirkungen eines rechtskräftigen Feststellungsurteils erklärt wird. Damit ist für das Stammrecht, also die vorbehaltene Schadensersatzforderung, dem Grunde nach die 30jährige Verjährungsfrist des § 197 Abs. 1 BGB eröffnet, welche mit dem Tag des Abschlusses der Vereinbarung in Gang gesetzt wird.
Allerdings verhält es sich so, dass gem. § 197 Abs. 2 BGB auch über ein rechtskräftiges Feststellungsurteil oder eine vergleichbare Erklärung des Versicherers abgesicherte Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen nicht in 30 Jahren verjähren, sondern insoweit doch die dreijährige Regelverjährung des § 195 BGB gilt. Es sollte daher erstrebt werden, dass der Versicherer auf die entsprechende Einrede verzichtet; ansonsten muss alle drei Jahre ein neues Anerkenntnis mit der "Neustart-Wirkung" des § 212 BGB bzw. eine neue Verjährungsverzichtserklärung eingeholt oder eine dann – ausnahmsweise zulässige – (weitere) verjährungshemmende Feststellungsklage erhoben werden.
Rz. 40
Optimal ist daher folgender Vereinbarungstext:
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Muster 7.11: Vorbehalt mit titelersetzender Wirkung
Alle Vorbehalte werden mit der Wirkung eines am Tag der Unterzeichnung des Abfindungsvergleiches formell rechtskräftig werdenden Feststellungsurteils erklärt (§ 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB). Auf die Einrede aus § 197 Abs. 2 BGB wird von Seiten des Haftpflichtversicherers verzichtet.
Rz. 41
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Muster 7.12: Einwand der Verjährung nach einem Abfindungsvergleich
Die verfolgten Ersatzansprüche sind verjährt. Mit einem Abfindungsvergleich endet die Hemmung der Verjährung auch hinsichtlich der vorbehaltenen Ansprüche, und die dreijährige Verjährungsfrist beginnt insoweit neu zu laufen. Dem Versicherer ist es dabei auch nicht verwehrt, sich auf die eingetretene Verjährung zu berufen (OLG Koblenz, Urt. v. 30.1.2012 – 12 U 1178/10 = NZV 2012, 233).