Frank-Michael Goebel, Dr. Jochen Schatz
Rz. 395
Die Anordnung hat zwei materielle und eine formelle Voraussetzung, die für beide Formen der Anordnung identisch sind.
Rz. 396
Der Schuldner hat zunächst in materieller Hinsicht die Tatsachen darzulegen und in formeller Hinsicht nachzuweisen, die belegen, dass dem Konto in den letzten sechs Monaten vor der Antragstellung ganz überwiegend nur unpfändbare Beträge gutgeschrieben wurden.
Rz. 397
Dafür wird der Schuldner darzulegen haben, welche Gutschriften auf seinem Konto in dem maßgeblichen Zeitraum von sechs Monaten ab dem Eingang des Antrages bei dem Vollstreckungsgericht zurückgerechnet, überhaupt erfolgt sind. Unschädlich bleiben insoweit vor allem die Gutschriften unpfändbaren Arbeitseinkommens, von unpfändbaren Sozialleistungen oder Kindergeld.
Rz. 398
Hinweis
Der Antrag des Schuldners nach § 907 ZPO kann und muss also zu Recht scheitern, wenn der Gläubiger bewusst oder aus Unkenntnis auf die Pfändung von Arbeitslohn verzichtet hat und insoweit das gesamte Nettoeinkommen des Schuldners mit seinen unpfändbaren und pfändbaren Anteilen auf dem Konto eingeht. Anderes kann allerdings dann gelten, wenn er nachweist, dass der Arbeitslohn sicher unterhalb der Pfändungsfreigrenze liegt.
Rz. 399
Zum Nachweis wird er zumindest Kopien der vollständigen Kontoauszüge für diesen Zeitraum vorzulegen haben. Soweit der Gläubiger die Vollständigkeit oder Richtigkeit bestreitet, wird er beglaubigte Abschriften vorzulegen und die Vollständigkeit und Richtigkeit an Eides statt zu versichern haben.
Rz. 400
In einem zweiten Schritt wird der Schuldner darlegen müssen, aus welchen Vorschriften sich die Unpfändbarkeit der jeweiligen Gutschriften dem Grunde und der Höhe nach ergeben. Insoweit kommen die Pfändungsschutzbestimmungen der Zivilprozessordnung (beispielsweise § 850c ZPO) in Betracht.
Rz. 401
Tipp
Dabei muss beachtet werden, dass sich möglicherweise aus der Zusammenrechnung mehrerer für sich genommen pfändungsgeschützter Einkommen nach § 850e in Zusammenhang mit § 850c ZPO sehr wohl ein pfändbarer Betrag ergeben kann. Aspekte, die insbesondere der Gläubiger im Rahmen seiner Anhörung wird zur Geltung bringen müssen.
Rz. 402
Unerheblich bleibt, ob es sich um ein Pfändungsschutzkonto handelt und die Summe der erfolgten Gutschriften für sich genommen nach § 850k Abs. 1 und 2 ZPO unpfändbar sind. Der Gesetzeswortlaut stellt allein auf die Unpfändbarkeit der Gutschrift ab, nicht auf die Unpfändbarkeit des sich nach der Gutschrift auf dem Konto befindlichen Saldos. Das Guthaben auf einem Pfändungsschutzkonto stellt also keine Gutschrift im Sinne der gesetzlichen Regelung dar. Mit § 907 ZPO stellt der Gesetzgeber allein auf die Betrachtung des Zuflusses ("unpfändbare Beträge"), nicht aber auf den Bestand ab. Eine andere Betrachtungsweise hätte zur Folge, dass auch die Pfändung von Pfändungsschutzkonten regelmäßig aufgehoben werden müsste, so dass ein unnötiger doppelter Pfändungsschutz gewährt würde.
Rz. 403
Sodann hat der Schuldner darzulegen und glaubhaft (§ 294 ZPO) zu machen, dass auch innerhalb der nächsten sechs Monate seit Antragstellung, d.h. seit dem Eingang des Antrages bei dem Vollstreckungsgericht nur ganz überwiegend nicht pfändbare Beträge zu erwarten sind. Das Vollstreckungsgericht hat hier eine Prognoseentscheidung zu treffen. Vor dem Hintergrund, dass ein angemessener Ausgleich der Interessen von Gläubiger und Schuldner gefunden werden muss, weißt schon die Gesetzesbegründung darauf hin, dass nicht zu geringe Anforderungen an die Prognose zu stellen sind.
Rz. 404
Eine solche Prognose kann nach der Gesetzesbegründung z.B. dann bejaht werden, wenn der Schuldner berufs- oder erwerbsunfähig ist und eine Besserung seiner gesundheitlichen Beschwerden kurz- und mittelfristig nicht zu erwarten ist. In diesen Fällen wird die Anordnung meist unstreitig sein. Gleichwohl darf nicht übersehen werden, dass etwa die private Versicherungswirtschaft nicht nur in den Versicherungsbedingungen regelmäßige Überprüfungen der Berufs- und Erwerbsunfähigkeit vorsieht, sondern diese Überprüfungen in der Praxis auch praktiziert. Dies zeigt das praktische Bedürfnis, solche Sachverhalte regelmäßig auf ihre Aktualität zu hinterfragen. Deshalb darf auch diese Feststellung kein Freibrief für alle Zukunft sein. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund sind auch Hartz-IV-Bescheide jeweils auf sechs Monate begrenzt, was für diese Konstellation schon eine Freistellung über sechs Monate hinaus verbietet.
Rz. 405
Die Voraussetzungen für die Aufhebung der Pfändung oder die Anordnung des Ruhens können auch vorliegen, wenn der Schuldner sich als Empfänger sozialer Transferleistungen schon seit längerem nachweisbar erfolglos um einen Arbeitsplatz bemüht hat. Hier sind allerdings strenge Anforderungen zu stellen. Schon nach den sozialrechtlichen Regelungen ist der Schuldner verpflichtet, sich um eine angemessene Erwerbstätigkeit zu bemühen, §§ 2, 10 SGB II. Der Schuldner wird deshalb im Einzelnen darzulegen und glaubhaft zu machen haben, auf...