Rz. 90
Seit 1998 ist auch durch den BGH neben dem Auseinandersetzungsvertrag (siehe oben Rdn 84) und der Erbteilsübertragung (siehe oben Rdn 89) ein "dritter Weg" der Auseinandersetzung anerkannt, der zu einer Teilauseinandersetzung führt: Miterben scheiden einverständlich gegen Abfindung aus der Erbengemeinschaft aus. Dies wird allgemein als "Abschichtung" bezeichnet, ein Begriff, den der BGH übernommen hat. Bei der Abschichtung gibt ein Miterbe seine Mitgliedschaftsrechte an der Erbengemeinschaft auf, insbesondere sein Recht auf ein Auseinandersetzungsguthaben. Der Erbteil des Ausgeschiedenen wächst den verbleibenden Miterben aufgrund entsprechender Anwendung von §§ 1935, 2094, 2095 BGB an. Bleibt lediglich ein Miterbe übrig, führt die Anwachsung zum Alleineigentum am Nachlass und die Erbengemeinschaft ist beendet. Der durch Abschichtung ausgeschiedene Miterbe bleibt jedoch formal Erbe und ist daher auch im Erbschein aufzuführen. Denn seine Position als Erbe wird durch Erwerb von Todes wegen begründet und ist nicht übertragbar. Vergleichbar ist dies mit der Situation bei der Veräußerung eines Miterbenanteils gem. § 2033 BGB. Nachlassgläubigern kann die Abschichtung nicht entgegengehalten werden, sie können sich weiterhin an den abgeschichteten Erben halten, der ihnen gegenüber nach wie vor haftet. Eine Abschichtung muss sich stets auf den gesamten Nachlass beziehen und kann nicht auf einzelne Gegenstände beschränkt werden.
Rz. 91
Es ist in der Lit. umstritten und von der Rechtsprechung bislang nicht entschieden, ob ein Miterbe auch durch einseitige (formlose) Erklärung aus der Erbengemeinschaft ausscheiden kann. Ein Abfindungsanspruch entstünde aufgrund dieser einseitigen Erklärung freilich nicht: der Anteil des ausscheidungswilligen Miterben wächst den verbleibenden Miterben ohne Gegenleistung an. Der ausgeschiedene Miterbe bleibt aber gleichwohl im Außenverhältnis in der Haftung.
Praxishinweis
Die fortdauernde Haftung ist für den abgeschichteten Miterben ein erhebliches Risiko (und zwar gleichgültig, ob er durch einseitige Erklärung oder vertragliche Vereinbarung aus der Erbengemeinschaft ausgeschieden ist):
Auf der einen Seite haftet er den Nachlassgläubigern weiterhin auf den gesamten geforderten Betrag. Dabei ist bislang nicht geklärt, ob die Abschichtung einzelner Miterben womöglich auch "Teilung" i.S.d. § 2059 BGB ist, die dann zum Verlust des Haftungsprivilegs des § 2059 Abs. 1 S. 1 BGB führt. Dies wird man jedenfalls dann annehmen müssen, wenn alle Miterben aus der Erbengemeinschaft durch Abschichtung ausgeschieden sind.
Auf der anderen Seite hat der abgeschichtete Miterbe keinerlei Zugriff mehr auf den Nachlass als Haftungsmasse. Bei Inanspruchnahme durch Nachlassgläubiger ist er auf den Ausgleich im Innverhältnis der Miterben angewiesen, § 426 BGB.
Der den abschichtungswilligen Miterben vertretende Rechtsanwalt hat daher hier besondere Beratungs- und Gestaltungspflichten, um die Interessen seines Mandanten optimal zu vertreten. Insbesondere sollte er entweder besonderes Augenmerk auf die auch wirtschaftliche Absicherung eines möglichen Ausgleichsanspruches gem. § 426 BGB legen oder aber den Mandanten auf das sonst bestehende Haftungsrisiko hinweisen.
Rz. 92
Da der Ausscheidende lediglich auf seine Mitgliedschaftsrechte verzichtet, sie jedoch nicht auf einen bestimmten Rechtsnachfolger überträgt, liegt hierin keine Verfügung über einen Erbteil gem. § 2033 Abs. 1 S. 1 BGB. Der Abschichtungsvertrag ist aus diesem Grund selbst dann formfrei möglich, wenn zur Erbengemeinschaft ein Grundstück gehört. Es ist auch gleichgültig, ob eine etwaige Abfindung an den abgeschichteten Miterben aus dem Nachlass oder dem Privatvermögen der oder des anderen Erben geleistet wird. Formbedürftig ist es jedoch, wenn als Abfindung ein Gegenstand übertragen werden soll, der nur durch formbedürftiges Rechtsgeschäft übertragen werden darf.
Rz. 93
In der Form des § 29 GBO muss gegenüber dem Grundbuchamt jedoch die Erbfolge nachgewiesen werden, § 35 GBO. Nur so kann das Grundbuchamt prüfen, ob tatsächlich alle Erben der Erbengemeinschaft die Vereinbarung zur Abschichtung getroffen haben. Nicht erforderlich ist dagegen eine Voreintragung der Erbengemeinschaft im Grundbuch gem. § 39 Abs. 1 GBO: Durch entsprechende Anwendung von § 40 Abs. 1 GBO gewährt die wohl mittlerweile allgemeine Meinung eine Ausnahme vom Grundsatz der Voreintragung.
Rz. 94
Ist der Erbe minderjährig, so bedarf eine Abschichtung auch dann keiner Genehmigung nach §§ 1643 Abs. 1, 1850 Nr. 1 BGB, wenn zum Nachlass ein Grundstück gehört. Die Eltern verfügen insoweit auch nicht über eine dem Minderjährigen angefallene Erbschaft, so dass auch kein nach §§ 1643 Abs. 1, 1851 Nr. 2 BGB genehmigungsbedürftiges Rechtsgeschäft vorliegt. Etwas anderes gilt freilich aber, wenn die Eltern als Vertragspartner auf der einen und als gesetzliche Vertreter des Minderjährigen auf der anderen Seite auftreten: In diesem F...