Sebastian Kubik, Dr. iur. Franz-Thomas Roßmann
Rz. 135
Kindesunterhaltssachen sind von einigen Besonderheiten geprägt. Bereits behandelt wurde das Zuständigkeitsprivileg nach § 232 Abs. 1 Nr. 2 FamFG. Der Unterhaltsanspruch eines minderjährigen Kindes bzw. eines nach § 1603 Abs. 2 S. 2 BGB gleichgestellten Kindes gegenüber den Eltern wird ausschließlich bei dem Gericht eingefordert, bei dem das Kind seinen allgemeinen Gerichtsstand hat.
Hinweis
Minderjährige Kinder, die nur den Zahlbetrag der ersten Stufe der Düsseldorfer Tabelle (Mindestunterhalt abzüglich anteiligen Kindergeldes) geltend machen, sind von der Darlegungs- und Beweislast entbunden. Dies betrifft sowohl ihren Bedarf als auch die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners. Der Verpflichtete muss umgekehrt den Nachweis führen, dass er den Zahlbetrag nicht erwirtschaften kann.
Ist Kindesunterhalt bereits tituliert, sind für eine spätere Abänderung die §§ 238, 239 FamFG maßgeblich.
Erforderlich ist in allen Verfahren eine ordnungsgemäße Vertretung minderjähriger Kinder.
a) Vertretung des Kindes, Verfahrensstandschaft
aa) Alleinsorge eines Elternteils
Rz. 136
Übt ein Elternteil die elterliche Sorge allein aus oder ist ihm die Entscheidung nach § 1628 BGB übertragen, vertritt dieser Elternteil das Kind allein (§ 1629 Abs. 1 S. 3 BGB).
bb) Gemeinsame elterliche Sorge (§ 1629 BGB)
Rz. 137
Häufig sind die Eltern getrenntlebende Eheleute, die gemeinsam die elterliche Sorge für das Kind haben. Der Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind befindet, übernimmt die Vertretung des Kindes gem. § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB bei Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs gegen den anderen Elternteil. Insoweit ergibt sich – allerdings nur für Unterhaltsfragen – ein Alleinvertretungsrecht. Ansonsten bleibt es bei gemeinsamer Vertretung durch beide Elternteile.
Obhut bedeutet dabei die tatsächliche Fürsorge für das Kind, also die Befriedigung der elementaren Bedürfnisse des Kindes durch Pflege, Verköstigung, Gestaltung des Tagesablaufs, Erreichbarkeit bei Problemen und emotionale Zuwendung. Unklar bleibt weiterhin die Rechtslage, wenn sich das Kind abwechselnd und in gleichem Umfang in der Obhut des einen und dann des anderen Elternteils befindet.
cc) Vertretung im Unterhaltsverfahren beim Wechselmodell
Rz. 138
Der BGH geht nach neuer Rechtsprechung davon aus, dass durch gerichtliche Umgangsregelung auch gegen den Willen des anderen Elternteils ein Wechselmodell angeordnet werden kann. Entscheidender Maßstab ist das im konkreten Einzelfall festzustellende Kindeswohl. Allerdings ergeben sich beim Wechselmodell vielfältige Probleme, wenn Unterhalt für die betroffenen Kinder geklärt werden muss.
Die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen setzt jedenfalls nicht voraus, dass ein Elternteil die alleinige Obhut über die Kinder hat. Vielmehr reicht aus, dass der Schwerpunkt der tatsächlichen Betreuung von dem unterhaltsbegehrenden Elternteil wahrgenommen wird. In Grenzfällen genügt auch ein nur geringer Betreuungsvorsprung eines Elternteils.
Nach Auffassung der Rechtsprechung liegt daher bei einem Betreuungsanteil der Mutter von 55 % kein Wechselmodell vor.
Liegt hingegen die Betreuungszeit der Eltern jeweils bei ca. 50 % (sog. echtes Wechselmodell), ist eine gerichtliche Übertragung der Befugnis, Unterhalt gegen den anderen Elternteil geltend machen zu können, nach § 1628 BGB erforderlich.
Das OLG Frankfurt begründet dies damit, dass über § 1628 BGB auch die Entscheidungsbefugnis über das "Ob" der Einleitung eines Unterhaltsverfahrens geklärt werden könne. Deshalb sei dieser verfahrensrechtliche Weg gegenüber der Einsetzung eines Ergänzungspflegers vorzugswürdig.
Nach anderer Auffassung wird ein Ergänzungspfleger nach § 1909 BGB für die Geltendmachung von Unterhalt benötigt.
Das OLG Düsseldorf räumt dem Antragsteller beim Wechselmodell ein Wahlrecht zwischen der Bestellung eines Ergänzungspflegers und einem Antrag nach § 1628 BGB ein. Ebenso sieht dies das OLG Brandenburg.
Rz. 139
OLG Zweibrücken räumt ebenfalls ein Wahlrecht ein.
Zitat
1. Wird ein Kind im Rahmen eines paritätischen Wechselmodells betreut, kann ein Elternteil das Kind zur Geltendmachung von Barunterhaltsansprüchen nicht nach § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB vertreten, sondern muss entweder die Übertragung der Entscheidungsbefugnis nach § 1628 BGB verlangen oder die Bestellung eines Ergänzungspflegers herbeiführen. Einschlägig ist hier das Recht zur Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen als Teilbereich der Personensorge, nicht aber die Vermögenssorge.
2. Das Jugendamt kann sich gegen die Bestellung als Ergänzungspfleger nicht mit dem Argument zur Wehr setzen, die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Berechnung des Kindesunterhaltsanspruchs im Sonderfall des Wechselmodells seien bei ihm nicht vorhanden.