A. Der Begriff des Rechtsschutzfalles
I. Allgemeines
Rz. 1
Die Regelung des § 4 ARB 2010 enthält die Voraussetzungen für den Anspruch auf Rechtsschutz und orientiert sich hierbei an der Definition zur Leistungspflicht des Versicherers und zum Versicherungsfall in § 1 VVG.
Rz. 2
In § 1 VVG sind die vertragstypischen Pflichten geregelt. Hiernach verpflichtet der Versicherer sich mit dem Versicherungsvertrag, ein bestimmtes Risiko des Versicherungsnehmers oder eines Dritten durch eine Leistung abzusichern, die er bei Eintritt des vereinbarten Versicherungsfalles zu erbringen hat. An dieser Definition orientiert sich auch die Beschreibung der Aufgaben der Rechtsschutzversicherung in § 1 ARB 2010, nämlich die für die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers oder des Versicherten erforderlichen Leistungen im vereinbarten Umfang zu erbringen.
Rz. 3
Soweit nachstehend eine Bestimmung/ein Paragraf der ARB zitiert ist, bezieht dieses sich auf ARB 2010, soweit nicht eine andere Bestimmung bezeichnet ist.
II. Der Versicherungs-/Rechtsschutzfall
Rz. 4
In der Rechtsschutzversicherung ist ein Rechtsschutzfall dann gegeben, wenn ein Ereignis gegeben ist, das in den Deckungsbereich des Rechtsschutzvertrages fällt und darüber hinaus die Wahrnehmung rechtlicher Interessen des Versicherungsnehmers und damit Aufwendungen von Rechtskosten notwendig macht.
Rz. 5
In der Rechtsschutzversicherung ergibt sich notwendigerweise eine differenzierte Regelung des Versicherungsfalles bzw. des Rechtsschutzfalles, deren Eigenart vor allem darin besteht, dass sie keinen einheitlichen Begriff des Rechtsschutzfalles festlegt, sondern ihn nach der Art der wahrzunehmenden rechtlichen Interessen unterschiedlich definiert. Somit tragen die ARB der Tatsache Rechnung, dass sich das in der Rechtsschutzversicherung versicherte Rechtskostenrisiko in unterschiedlicher Weise konkretisieren kann, abhängig davon, ob es sich um die Interessenwahrnehmung im Zusammenhang mit gesetzlichen oder vertraglichen Ansprüchen handelt oder Ansprüche im Zusammenhang mit der Durchsetzung oder der Abwehr von Rechten oder Ansprüchen. In dieser Eigenart der Rechtsschutzversicherung ist es vorgegeben und zulässig, die Arten des Rechtsschutzfalles unterschiedlich, wie vorstehend wiedergegeben, zu regeln. In der Rechtsschutzversicherung wird der Rechtsschutzfall nicht als Zeitraum, sondern als bestimmter Zeitpunkt gesehen.
Rz. 6
Der Anspruch auf Rechtsschutz setzt voraus, dass nach Eintritt des Rechtsschutzfalles im versicherten Zeitraum im räumlichen Geltungsbereich der ARB die Wahrnehmung rechtlicher Interessen erforderlich wird. Maßgebend hierfür ist
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das versicherte Rechtsgebiet, |
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die versicherte Eigenschaft des Versicherungsnehmers oder der mitversicherten Person, |
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die Art der Beteiligung, also entweder aktiv oder passiv. |
Das den Versicherungsfall im Sinne des § 4 Abs. 1a ARB 94 darstellende Ereignis setzt einen fassbaren Bezug auch zur Person des Versicherten voraus.
Rz. 7
Somit ist ergänzend zum Eintritt des Rechtsschutzfalles Voraussetzung für den Anspruch auf Rechtsschutz die Notwendigkeit der Wahrnehmung rechtlicher Interessen bei hinreichender Erfolgsaussicht, ohne dass die Interessenwahrnehmung mutwillig ist.
III. Der Rechtsschutzfall beim Wechsel des Rechtsschutzversicherers
1. Die bisherige Regelung
Rz. 8
Hat der Versicherungsnehmer die Rechtsschutzversicherung gewechselt und ergibt sich ein Rechtsschutzfall zu einem Zeitpunkt, der gegenüber dem neuen Rechtsschutzvertrag vorvertraglich ist, so stellt sich die Frage, wie diese Thematik zu lösen ist.
Rz. 9
Im Prinzip wurde in diesem Fall die Abwicklung durch den neuen Versicherer empfohlen. Diese Handhabung hat sich jedoch zwischenzeitlich sowohl im Verhältnis der Versicherer untereinander als auch im Verhältnis zu den Versicherungsnehmern als zunehmend problematisch dargestellt. Deshalb wurde eine Neuregelung angestrebt, um zu einer praxisgerechten Lösung zu kommen und möglichst Deckungslücken bei Versicherungswechsel auszuschließen.
2. Die Regelung gem. § 4a ARB 2010 zum Wechsel des Versicherers
Rz. 10
Eine praxisgerechte Lösung ermöglicht § 4a ARB 2010 gemäß Verbandsempfehlung.
Diese Regelung lautet wie folgt:
Zitat
"§ 4a Versichererwechsel"
(1) Sofern im Versicherungsschein nichts anderes vereinbart ist, besteht in Abweichung von § 4 Abs. 3 Anspruch auf Rechtsschutz, wenn
a) eine Willenserklärung oder Rechtshandlung, die vor Beginn des Versicherungsschutzes vorgenommen wurde, in die Vertragslaufzeit eines Vorversicherers fällt und der Verstoß gem. § 4 Abs. 1c) erst während der Vertragslaufzeit des Versicherungsvertrages eintritt; allerdings nur dann, wenn bezüglich des betroffenen Risikos lückenloser Versicherungsschutz besteht;
b) der Versicherungsfall in die Vertragslaufzeit eines Vorversicherers fällt und der Anspruch auf Rechtsschutz später als drei Jahre nach Ende der Vertragslaufzeit eines Vorver...