Rz. 107

BGH, Urt. v. 19.7.2016 – VI ZR 491/15, zfs 2017, 23 = NJW 2016, 3363

Zitat

BGB § 249 Abs. 2 S. 1; ZPO § 287; StVG §§ 7, 18; VVG § 115

a) Die Kosten für die Begutachtung des bei einem Verkehrsunfall beschädigten Fahrzeugs gehören zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist.
b) Der Geschädigte genügt seiner Darlegungslast zur Höhe der Sachverständigenkosten regelmäßig durch Vorlage einer von ihm beglichenen Rechnung des von ihm zur Schadensbegutachtung in Anspruch genommenen Sachverständigen. Nicht die Höhe der vom Sachverständigen erstellten Rechnung als solche, sondern allein der vom Geschädigten in Übereinstimmung mit der Rechnung und der ihr zugrunde liegenden Preisvereinbarung tatsächlich erbrachte Aufwand bildet einen Anhalt zur Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen Betrages im Sinne von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB.

a) Der Fall

 

Rz. 108

Die Klägerin, deren Unternehmensgegenstand der Ankauf von Forderungen ist, nahm die beklagte Haftpflichtversicherung aus abgetretenem Recht auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 13.4.2012 in Anspruch, bei dem der Pkw des B. beschädigt wurde. Die volle Einstandspflicht der Beklagten stand zwischen den Parteien außer Streit. B. beauftragte das in der näheren Umgebung seines Wohnortes ansässige Sachverständigenbüro mit der Begutachtung des beschädigten Fahrzeugs. Seinen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte auf Erstattung der Sachverständigenkosten trat er an das Sachverständigenbüro ab. Der Sachverständige fertigte unter dem 14.5.2012 ein Gutachten an. Danach ergaben sich u.a. Reparaturkosten in Höhe von netto 16.788,60 EUR bei einer Reparaturdauer von 8 bis 9 Tagen und ein merkantiler Minderwert von 6.000 EUR. Er stellte dem Geschädigten für das Gutachten 2.269,66 EUR einschließlich Mehrwertsteuer in Rechnung. Die Beklagte ermittelte bei einer Prüfung des Sachverständigengutachtens Reparaturkosten in Höhe von netto 2.664,60 EUR und einen merkantilen Minderwert von 2.000 EUR.

 

Rz. 109

Die Klägerin machte geltend, der Sachverständige habe den ihm vom Geschädigten abgetretenen Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten wirksam an sie abgetreten. Die Kosten des Gutachtens seien ersatzfähig und weder vom Schädiger noch gerichtlich zu überprüfen. Das Honorar sei nicht krass überhöht, ein Missverhältnis zwischen Honorar und Leistung für den Geschädigten seien nicht zu erkennen gewesen. Inhaltlich sei das Gutachten nicht zu beanstanden. Ihr stehe die abgerechnete Sachverständigenvergütung in voller Höhe selbst dann zu, wenn das Gutachten mangelbehaftet oder sogar unbrauchbar sei.

 

Rz. 110

Die Beklagte erachtete die Abtretung an die Klägerin für unwirksam. Sie machte weiter geltend, das Gutachten sei mangelhaft und unbrauchbar, der merkantile Minderwert völlig übersetzt, die Reparaturkosten unzutreffend ermittelt. Die Beklagte könne auf der Grundlage einer Ermächtigung des Geschädigten und ihrer darauf erfolgten Erklärung der Minderung werkvertragliche Minderungsrechte geltend machen. Das angesetzte Sachverständigenhonorar sei sowohl bezogen auf das Grundhonorar als auch auf die Nebenkosten überhöht.

 

Rz. 111

Das Amtsgericht hat der Klage in Höhe von 1.225,83 EUR nebst Zinsen stattgegeben, da das Sachverständigengutachten des Sachverständigen nicht völlig unbrauchbar gewesen sei. Nach der Abtretung könne der Sachverständige aber nur die angemessenen Sachverständigenkosten in Höhe von 1.225,83 EUR brutto fordern. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht das Urteil des Amtsgerichts abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin weitere 1.043,83 EUR nebst Zinsen zu bezahlen. Die weitergehende, Nebenforderungen betreffende Berufung der Klägerin und die Berufung der Beklagten hat es zurückgewiesen.

Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgte die Beklagte ihren Antrag vollständiger Klagabweisung weiter.

b) Die rechtliche Beurteilung

 

Rz. 112

Die Revision war begründet. Die Beurteilung des Berufungsgerichts hielt revisionsrechtlicher Überprüfung nicht in allen Punkten stand.

Zutreffend und von der Revision nicht angegriffen hatte das Berufungsgericht angenommen, dass dem Geschädigten B. dem Grunde nach ein Anspruch gegen die Beklagte auf Ersatz der Kosten des eingeholten Sachverständigengutachtens aus §§ 7, 18 StVG, § 115 VVG zustand. Denn diese Kosten gehören zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist (vgl. nur Senatsurt. v. 11.2.2014 – VI ZR 225/13, VersR 2014, 474 Rn 7; v. 7.2.2012 – VI ZR 133/11, VersR 2012, 504 Rn 13).

 

Rz. 113

Rechtlich unbedenklich war das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Geschädigte diesen Anspruch wirksam an den Sachverständigen abgetreten hatte sowie dass die Abtretung dieser Forderung vom Sachverständigen an...

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