Isabelle Losch, Walter Krug
Rz. 110
Der behandelnde Arzt kann als sachverständiger Zeuge (§ 414 ZPO) vernommen werden. Er kann aufgrund seiner ärztlichen Verschwiegenheitspflicht die Aussage verweigern gem. § 30 Abs. 1 FamFG, § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO, denn die ärztliche Schweigepflicht endet nicht mit dem Tod seines Patienten, sondern besteht darüber hinaus. Sollte der Arzt aussagen, ohne von seiner Schweigepflicht entbunden zu sein, würde er den Tatbestand der Verletzung von Privatgeheimnissen § 203 Abs. 4 StGB erfüllen. Umstände, die die Testierfähigkeit betreffen, gehören zu der ärztlichen Schweigepflicht und sind dem Arzt auch dementsprechend anvertraut. Folglich ist der Arzt gem. § 385 Abs. 2 ZPO von seiner Schweigepflicht zu entbinden.
Rz. 111
Da die ärztliche Schweigepflicht nicht mit dem Tode des Patienten endet, hätte der Arzt vom Erblasser persönlich von der Schweigepflicht entbunden werden müssen, denn diese Befreiungsbefugnis geht nicht auf die Erben über, da die Testierfähigkeit eine höchstpersönliche Angelegenheit darstellt, die nicht der Rechtsfolge des § 1922 BGB unterliegt. Es ist somit auf den Willen des Erblassers abzustellen, d.h. zunächst ist die Frage zu erörtern, ob der Erblasser zu Lebzeiten gegenüber dem Arzt oder einem Dritten eine ausdrückliche oder konkludente Befreiung von der Schweigepflicht vorgenommen hat. Wenn dies nicht der Fall ist, kommt es auf den mutmaßlichen Willen des Erblassers an, d.h. es muss geklärt werden, ob er eine Befreiung von der Verschwiegenheitspflicht billigen oder missbilligen würde. In der Regel wird angenommen, dass der Erblasser ein Interesse an der Feststellung der Gültigkeit oder Ungültigkeit seiner Verfügung von Todes wegen gehabt habe. Aufgrund dessen wird vertreten, dass der Arzt als von der Schweigepflicht entbunden angesehen werden kann. Auch wird vertreten, dass es dem mutmaßlichen Willen des Erblassers entspricht, dass die zur Abklärung der Testierunfähigkeit relevanten Informationen offenbart werden und der Arzt von seiner Schweigepflicht entbunden ist. Dies ist jedoch, aufgrund des postmortalen Persönlichkeitsschutzes des Erblassers, welcher Vorrang vor dem Interesse der Erben und der Allgemeinheit bezüglich der Aufklärung einer möglichen Testierunfähigkeit genießt, kritisch zu betrachten.
Sollte sich der Arzt trotz allem auf sein Zeugnisverweigerungsrecht berufen, kann zu der Frage der Rechtmäßigkeit dieses Zeugnisverweigerungsrechts gem. § 387 ZPO ein Zwischenurteil ergehen, das mit der Beschwerde angefochten werden kann, § 387 Abs. 3 ZPO.
Praxistipp
Da es, wie erörtert, dem Erblasser unbenommen ist, seinen behandelnden Arzt von der Schweigepflicht zu entbinden, um Streitigkeiten der Beteiligten im Rahmen der Vernehmung des Arztes vorzubeugen, könnte darüber nachgedacht werden, in die Verfügung von Todes wegen eine solche Entbindungserklärung mit aufzunehmen.