Isabelle Losch, Walter Krug
Rz. 1
Das Vorliegen der Testierfähigkeit ist nicht nur bei der Errichtung, sondern auch bei Änderung oder Widerruf einer letztwilligen Verfügung von Todes wegen von Bedeutung. Immer wieder wird im Einzelfall zu beurteilen sein, inwieweit der Testierende aufgrund seiner geistigen Fähigkeiten auch dazu in der Lage war.
I. Testierfähigkeit
Rz. 2
Der Begriff der Testierfähigkeit ist ebenso wie der Begriff der Geschäftsfähigkeit im BGB nicht ausdrücklich definiert. Auch wenn sich dieses Kapitel mit dem Thema Testierfähigkeit beschäftigt, so ist die Geschäftsfähigkeit nicht ganz auszuklammern. Zum einen sind die Kriterien im Rahmen der Begutachtung deckungsgleich, zum anderen muss im Rahmen der Schließung eines Erbvertrages die Geschäftsfähigkeit als eine weitere Voraussetzung neben der Testierfähigkeit vorliegen. Die Geschäftsfähigkeit wird wie die Testierfähigkeit gem. § 104 BGB vorausgesetzt und ist von der Geschäftsunfähigkeit abzugrenzen.
Rz. 3
Die Testierfähigkeit bzw. die Testierunfähigkeit des Erblassers muss immer zum Zeitpunkt der Errichtung des Testamentes bestehen und in einem gerichtlichen Verfahren festgestellt werden. Bei Fertigung eines eigenhändigen Testaments wird in der Regel somit auf den Zeitpunkt der Unterzeichnung abgestellt. Wenn der Erblasser ein notarielles Testament errichtet, kommt es auf den Zeitpunkt der Erklärung des Erblassers gegenüber dem Notar an oder auf den bei Übergabe der Schrift. Sollte der Erblasser danach testierunfähig werden, reicht es im Zeitpunkt der Verlesung und Genehmigung des vom Notar erstellten Testaments aus, wenn die Fähigkeit besteht, allgemein die Bedeutung der letztwilligen Verfügung zu erkennen und dem Vorgelesenen zuzustimmen oder nicht zuzustimmen.
Rz. 4
Die Testierfähigkeit ist als ein Unterfall der Geschäftsfähigkeit gesondert geregelt. Die in einem späteren gerichtlichen Verfahren in forensisch-psychiatrischer Hinsicht zu erfolgende Prüfung hat, wie bereits erwähnt, jedoch sowohl bei der Prüfung der Geschäftsfähigkeit als auch bei einer Prüfung der Testierfähigkeit nach denselben Kriterien zu erfolgen, wobei die Freiheit des Willensentschlusses maßgeblich ist.
Rz. 5
Grundsätzlich ist gem. § 2229 Abs. 1 BGB jede Person, die das 16. Lebensjahr vollendet hat, testierfähig, solange sie selbstbestimmt handeln und eigenverantwortliche Entscheidungen treffen kann und die Vorstellung hat, eine letztwillige Verfügung von Todes wegen mit einem bestimmten Inhalt errichten zu wollen.
Dies folgt aus dem Grundsatz, dass eine krankhafte Störung der Geistestätigkeit, eine Geistesschwäche oder Bewusstseinsstörungen und damit die Testierunfähigkeit die Ausnahme von dem Regelfall der Testierfähigkeit ist. Ein Erblasser gilt solange als testierfähig, bis seine Testierunfähigkeit zur vollen Gewissheit des Gerichtes nachgewiesen worden ist.
Rz. 6
Testierfähig bzw. geschäftsfähig ist nur derjenige, der seinen Willen frei bestimmen kann. Im Rahmen dieser Willensbildung ist ein Abwägen des Für und Wider mit einer sachlichen Prüfung aller in Betracht kommenden Gesichtspunkte unumgänglich. Nur auf diesem Weg ist eine von vernünftigen Erwägungen abhängig gemachte, selbstbestimmte und selbstverantwortliche Entscheidung bei Vorliegen einer intakten Urteilsfähigkeit möglich. Der Testierende muss neben den allgemeinen Vorstellungen über die Errichtung einer Verfügung von Todes wegen sich auch über die Tragweite und die Auswirkungen auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen im Klaren sein. Einschränkungen der Urteilsfähigkeit können zu einer geistigen Anomalie und damit zur Beeinträchtigung der Fähigkeit der freien Willensbildung führen. Alleine derjenige, der einen schwierigen rechtlichen Sachverhalt nicht intellektuell erfasst und versteht, ist noch nicht testierunfähig. Auch wird die Testierfähigkeit nicht aufgrund von moralisch oder sittlich verwerflichen Vorstellungen des Erblassers ausgeschlossen. Eine abgestufte relative Testierunfähigkeit gibt es ebenfalls nicht.
Rz. 7
Die Geschäftsfähigkeit nach §§ 104 ff. BGB und die Testierfähigkeit der §§ 2229, 2247 Abs. 4 BGB sind verwandt, aber nicht vollständig deckungsgleich. Bei der Errichtung letztwilliger Verfügungen können beide Arten nebeneinander treten, denn während die Wirksamkeit eines Testaments Testierfähigkeit voraussetzt, ist für den Abschluss eines wirksamen Erbvertrags die unbeschränkte Geschäftsfähigkeit neben der Testierfähigkeit erforderlich, § 2275 Abs. 1 BGB. Die partielle Geschäftsunfähigkeit ist anerkannt, nicht aber die partielle Testierunfähigkeit. Der Testierende ist entweder fähig, eine letztwillige Verfügung von Todes wegen aufgrund seiner geistigen und sittlichen Mindestreife zu errichten, oder eben nicht. Auch darf es nicht auf die Zustimmung der gesetzlichen Vertreter eines Minderjährigen ankommen (§ 2229 Abs. 2 BGB). Insbesondere gibt es auch keine nach dem Schwierigkeitsgrad der letztwilligen Verfügung abgestufte Testierfähigkeit.
Rz. 8
Der Beg...