Rz. 22

Mit § 352a Abs. 2 FamFG ist es den Erben ermöglicht, einen quotenlosen gemeinschaftlichen Erbschein zu beantragen, wenn alle Antragsteller in dem Antrag auf die Aufnahme der Erbteile in den Erbschein verzichten, weil die genaue Erbquote vor allem interne Bedeutung innerhalb der Erbengemeinschaft hat.[21]

Nach der Ansicht des OLG Düsseldorf genügt es für die Erteilung des quotenlosen gemeinschaftlichen Erbscheins, dass der antragstellende Miterbe den Verzicht auf die quotenmäßige Feststellung der Erbteile erklärt. Der Verzicht aller (potenziellen) Miterben auf die Angabe der Erbteilsquote sei nicht erforderlich. Die übrigen Miterben seien ausreichend dadurch gesichert, dass sie selbst einen (gegenläufigen) Erbscheinsantrag stellen und damit das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzung für die Erteilung eines quotenlosen gemeinschaftlichen Erbscheins verhindern könnten.[22]

 

Rz. 23

Ist ein Erbschein noch nicht erteilt, so kann der Gläubiger – wenn er bereits im Besitz eines Titels ist – selbst das Erbscheinserteilungsverfahren betreiben.[23] Er hat ein eigenes Antragsrecht nach §§ 792, 896 ZPO und kann sogar die nach § 352 Abs. 3 FamFG erforderliche eidesstattliche Versicherung abgeben (zum Erbscheinsantrag siehe § 7 Rdn 49 ff.).[24] Dies gilt auch für das Finanzamt als Gläubiger einer Steuerschuld.[25]

Für den formalen Inhalt des Antrags gelten die §§ 352 ff. FamFG. Handelt es sich bei dem Gläubiger um eine juristische Person, so ist die eidesstattliche Versicherung vom gesetzlichen Vertreter abzugeben, eine rechtsgeschäftliche Bevollmächtigung ist im Grundsatz nicht zulässig.[26]

 

Rz. 24

Ist der Vertretene in einem Erbscheinsverfahren nicht mehr zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung in der Lage, kann sein gesetzlicher Vertreter, z.B. ein Betreuer, die Erklärung abgeben, jedoch als eigene Erklärung und nicht für den Vertretenen. Dabei steht ein Vorsorgebevollmächtigter einem gesetzlichen Vertreter gleich.[27]

 

Rz. 25

Auch im Fall der Beantragung eines Erbscheins durch den Gläubiger gem. § 792 ZPO handelt es sich bei dem Formerfordernis gem. § 352 Abs. 3 S. 3 FamFG um ein solches, das regelmäßig einzuhalten ist.[28]

Gleichwohl kann es im Einzelfall geboten sein, gem. § 352 Abs. 3 S. 4 FamFG dem Gläubiger die Vorlage der eidesstattlichen Versicherung zu erlassen, wenn sie nicht erforderlich ist. Die Vorlage der eidesstattlichen Versicherung dient der Glaubhaftmachung der im Antrag angegebenen Umstände. Der in zulässiger Weise gestellte Antrag löst die Pflicht des Nachlassgerichts gem. §§ 26, 30 FamFG zur umfassenden Ermittlung von Amts wegen aus. Das Nachlassgericht hat dann den Erbschein gem. § 352e FamFG zu erteilen, wenn es die zur Begründung des Antrags erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet. Weil man von einem Gläubiger – anders als von einem Erben – nicht erwarten kann, dass ihm alle für das Erbrecht des Erben maßgeblichen Umstände aufgrund der familiären Verhältnisse bekannt sind, kommt der Amtsermittlungsverpflichtung im Falle der Beantragung eines Erbscheins durch den Gläubiger gem. § 792 ZPO besondere Bedeutung zu.[29] Die Anforderungen an die Angaben des Gläubigers dürfen damit nicht überspannt werden.

 

Rz. 26

Die gleichen Regeln gelten in Bezug auf die Erteilung eines Europäischen Nachlasszeugnisses (ENZ). Das OLG Stuttgart vertritt die Ansicht, dass auch bei streitigen Sachverhalten ein Verfahren auf Erteilung eines ENZ durchgeführt werden kann.[30] Kritik: Die Ansicht des OLG Stuttgart sei problematisch, weil in einigen Mitgliedstaaten nicht Gerichte, sondern Behörden und Notare für die Erteilung des ENZ zuständig seien und diesen die Möglichkeit für eine Streitentscheidung fehle.[31]

M.E. bedarf die Entscheidung des OLG Stuttgart der Präzision: Dort wo Gerichte für die Erteilung eines ENZ zuständig sind, kann auch über streitige Sachverhalte entschieden werden; wo dies nicht der Fall ist, müssen streitige Sachverhalte in einem Erbenfeststellungsprozess geklärt werden. Das rechtskräftige Ergebnis ist dann in das ENZ zu übernehmen.

 

Rz. 27

Die verfahrensrechtlichen Rechte der Erben werden gewahrt, weil das Nachlassgericht nach §§ 26, 30 FamFG von Amts wegen zu ermitteln und dabei auch nach Art. 103 GG rechtliches Gehör zu gewähren hat.

Das BVerfG zur Gewährung rechtlichen Gehörs im FG-Verfahren:[32]

Zitat

Art. 103 Abs. 1 GG ist auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu beachten.[33] Das gilt – unabhängig davon, ob die Anhörung im Gesetz vorgesehen ist – auch für Verfahren, die vom Untersuchungsgrundsatz (§ 12 FGG)[34] beherrscht werden.[35] Auf eine förmliche Beteiligtenstellung kommt es nicht an. Der Anspruch auf rechtliches Gehör steht vielmehr jedem zu, demgegenüber die gerichtliche Entscheidung materiellrechtlich wirkt und der deshalb von dem Verfahren rechtlich unmittelbar betroffen wird.[36]

 

Rz. 28

Ein Gläubiger hat im Erbscheinsverfahren seine Rechtsstellung nachzuweisen, die auch in der Verfahrensvoraussetzung Antragsrecht voll geprüft werden muss.[37]

Im Erbschein wird ...

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