Dr. Peter Stelmaszczyk, Stefan Wegerhoff
Rz. 686
Das Entnahmerecht regelt, welche Auszahlungen der Gesellschafter von der KG zu welchem Zeitpunkt verlangen kann. Der Begriff der "Entnahme" wird vom Gesetz nach wie vor nur in § 172 Abs. 4 HGB verwendet. Im modernen Sprachgebrauch hat sich jedoch der Begriff der "Entnahme" eingebürgert.
Das gesetzliche Entnahmerecht ist nunmehr für alle Gesellschafter in § 122 HGB geregelt. Danach besteht grds. ein Entnahmerecht eines Gesellschafters bzgl. des ihm zugerechneten Gewinnanteils, soweit dies nicht "zum offenbaren Schaden der Gesellschaft gereicht" oder fällige Einlagepflichten des Gesellschafters entgegenstehen.
Das Entnahmerecht des Kommanditisten wird weiter gem. § 169 HGB dahingehend beschränkt, dass durch die Entnahme sein Kapitalanteil nicht unter die "vereinbarte Einlage" sinken darf bzw. eine solche Unterdeckung nicht verstärkt werden darf. Gemeint ist damit die im Innenverhältnis geschuldete Pflichteinlage.
Rz. 687
Da die Vorschriften der §§ 122, 169 HGB dispositiv sind, weicht die Praxis von ihnen ab und schafft ein neues vertragliches Entnahmesystem. Es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten, das Entnahmerecht vertraglich zu regeln: Der Gesellschaftsvertrag kann das Entnahmerecht z.B. an den Gewinnanteil (gewinnabhängige Entnahmeklausel) oder an einen Prozentsatz des festen Kapitalkontos und/oder des Verrechnungskontos (kontenabhängige Entnahmeklausel) anknüpfen; er kann auch Entnahmen aus dem Liquiditätsüberschuss der Gesellschaft (liquiditätsabhängige Entnahmeklausel) zulassen, wie dies bei vermögensverwaltenden KGs üblich ist; eine solche Klausel kann z.B. dazu verwendet werden, dass die Gesellschaft zunächst den laufenden Gewinn zur Schuldentilgung einzusetzen hat und erst danach Auszahlungen an die Gesellschafter im Vordergrund stehen sollen. Das Entnahmerecht kann in einem durch Gesellschafterbeschluss festgelegten jährlichen oder monatlichen Betrag bestehen (zeitabhängige Fixentnahme), es kann aber auch – wie z.B. bei Anwalts-GbR üblich – aus einer Kombination von einer monatlich festen Entnahme und weiteren unterjährigen Ausschüttungen aus dem Liquiditätsüberschuss (kombinierte Entnahmeklausel) bestehen. In vermögensverwaltenden Familiengesellschaften sind auch differenzierte Klauseln anzutreffen, wonach einige Gesellschafter (typischerweise diejenigen, die Vermögen in die Gesellschaft eingebracht haben) umfangreiche Entnahmerechte zur Altersversorgung haben, während bei anderen Gesellschaftern (typischerweise jüngere Familienmitglieder) das Entnahmerecht eingeschränkt ist. Bis zur Grenze der Sittenwidrigkeit sind auch solche Abweichungen vom Grundsatz der Gleichbehandlung zulässig. Sie können freilich nicht nachträglich ohne Zustimmung des benachteiligten Gesellschafters eingefügt werden.
Rz. 688
Welche Entnahmeklausel im Einzelfall passt, hängt von den Umständen ab, insb. davon, ob die Gesellschafter mitarbeiten oder nicht, ob die Gesellschaft Erträge abwirft und in welcher Höhe, ob die Gesellschafter ihren Lebensunterhalt aus Erträgen der Gesellschaft bestreiten müssen oder ob sie noch wesentliche andere Einnahmen haben usw. Die Entnahmeregelungen haben einen wichtigen Einfluss auf die Finanzierung der Gesellschaft. Die Regelung des Entnahmerechts ist ein Kernthema bei Verhandlungen über einen Gesellschaftsvertrag. Es ist daher besondere Sorgfalt geboten.
Einkommensteuerrechtlich sind Entnahmeregelungen besonders für den beschränkt haftenden Kommanditisten von Bedeutung. Da die steuerlichen Ergebnisse aufgrund nicht zahlungswirksamer Ergebnisauswirkungen (Abschreibungen, Rückstellungen) i.d.R. nicht mit der verfügbaren Liquidität übereinstimmen, sind mitunter Entnahmen über das eigentliche Ergebnis hinaus möglich. Entnahmen können daher zum Entstehen eines negativen Kapitalkontos führen, wodurch bei gleichzeitiger Verlustlage die Verlustverrechnung aufgrund § 15a Abs. 1 EStG für den betreffenden Kommanditisten in diesem Jahr ausgeschlossen sein kann. Nach § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG können darüber hinaus Entnahmen in einem Wirtschaftsjahr eine Gewinnzurechnung auslösen, sofern hierdurch ein negatives Kapitalkonto des Kommanditisten entsteht oder sich erhöht und darüber hinaus im Jahr der Entstehung oder in früheren Jahren ausgleichsfähige Verluste zugewiesen wurden. Im Ergebnis werden durch die Entnahmen bislang ausgleichsfähige Verluste der Vorjahre in verrechenbare Verluste umgewandelt.
Rz. 689
Bei der Abfassung der Entnahmeregelung des Gesellschaftsvertrages ist darauf zu achten, dass diese so gestaltet wird, dass die Haftung der Kommanditisten nicht wieder auflebt. Ein Kommanditist haftet den Gläubigern der Gesellschaft bis zur Höhe seiner Haftsumme unmittelbar. Die Haftung ist ausgeschlossen, soweit er eine Einlage in Höhe seiner Haftsumme geleistet hat (§ 171 Abs. 1 HGB). Wird die Einlage eines Kommanditisten jedoch zurückbezahlt, gilt sie den Gläubigern ggü. als nicht geleistet (§ 172 Abs. 4 Satz 1 HGB). Das Gleiche gilt, wenn ein Kommanditist Gewinnanteile entnimmt, w...