Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschluss eines Schmerzensgeldanspruchs bei Bagatelllverletzung der Halswirbelsäule

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Schmerzensgeldanspruch besteht nicht, wenn durch einen Verkehrsunfalll allenfalls eine Bagatellverletzung der Halswirbelsäule (HWS) verursacht wird.

2. Ist der Unfallgeschädigte nicht arbeitsunfähig und stellt er sich nach der Erstbehandlung bei dem behandelnden Arzt nicht wirder zur Weiterbehandlung vor, kann in der Regel ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht von einer erheblichen Gesundheitsbeeinträchtigung gesprochen werden.

 

Normenkette

BGB § 823 Abs. 1, § 253 Abs. 2

 

Tenor

Klage und Widerklage werden abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jede Partei darf die gegen sie gerichtete Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrags leistet.

 

Tatbestand

(abgekürzt gemäß § 313 II ZPO)

Die Klägerin befuhr am 21.01.2010 mit dem Pkw des zwischenzeitlich verstorbenen M den B-Ring in A. An der durch eine Lichtzeichenanlage geregelten Kreuzung mit der F- Straße wollte sie nach links in diese einbiegen. Die Beklagte zu 1) fuhr mit ihrem Pkw auf der F- Straße in Richtung F. Im Kreuzungsbereich kam es zum Zusammenstoß der beiden Fahrzeuge, wobei der Pkw der Beklagten zu 1) im Bereich der Beifahrertür und der von der Klägerin gesteuerte Pkw total beschädigt wurde. Herr M nahm seine Vollkaskoversicherung in Anspruch.

Die Klägerin behauptet, der Unfall sei allein von der Beklagten zu 1) verschuldet worden. Sie selbst sei bei Grünlicht in die Kreuzung eingefahren, während für die Beklagte zu 1) die Ampel bereits Rotlicht gezeigt habe, als sie mit überhöhter Geschwindigkeit in die Kreuzung eingefahren sei. Durch den Verkehrsunfall seien ein Sachschaden in Höhe von 11.313,86 EUR sowie Rechtsanwaltskosten von 962,71 EUR entstanden. Abzüglich der Kaskoentschädigungssumme von 7.874,20 EUR und abzüglich Sachverständigenkosten von 278,86 EUR seien 4.123,51 EUR nach den Grundsätzen des Quotenvorrechts von den Beklagten voll zu erstatten. Die Klägerin behauptet, am 24.02.2010 sei ein Ersatzfahrzeug beschafft worden.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 4.123,51 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.03.2010 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Widerklagend beantragt die Beklagte zu 1),

die Klägerin zu verurteilen, an sie 225,- EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.05.2010 zu zahlen.

Die Klägerin beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten, der Unfall sei von der Klägerin verschuldet worden, weil diese bei Rotlicht in die Kreuzung eingefahren sei. Die Beklagten erheben Einwendungen gegen die Schadenshöhe. Mit der Widerklage macht die Beklagte zu 1) einen Schmerzensgeldanspruch geltend. Sie behauptet, sie habe bei dem Unfall ein HWS-Schleudertrauma erlitten, weshalb ein Schmerzensgeld von 200,- EUR zuzüglich Auslagenpauschale von 25,- EUR gerechtfertigt sei.

Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 24.06.2010. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 06.09.2010 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die nachfolgenden Entscheidungsgründe sowie die von den Parteien im Laufe des Rechtsstreits eingereichten Schriftsätze und deren Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

 

Entscheidungsgründe

(kurz gefasst, § 313 III ZPO)

Klage und Widerklage sind unbegründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz von 4.123,51 EUR aus §§ 7 I StVG; 823 BGB; 115 VVG.

Aufgrund der unstreitigen Umstände des Falles und nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme muss davon ausgegangen werden, dass der Unfall allein von der Klägerin verursacht wurde, da diese bei Rotlicht in den Kreuzungsbereich eingefahren war. Die unbeteiligten Zeugen N und T haben übereinstimmend ausgesagt, dass der Zusammenstoß der beiden Fahrzeuge erfolgt sei, als die Lichtzeichenanlage für die hintereinander auf der F- Straße in Richtung Bernberg fahrenden Zeugen Grünlicht gezeigt habe. Insbesondere der näher am Unfallort befindliche Zeuge T konnte den Zeitpunkt des Unfalls auf 2-4 Sekunden nach dem Umschalten der Ampel auf Grünlicht bestimmen. An der Wahrnehmungsfähigkeit der Zeugen und der Glaubhaftigkeit der Aussagen bestehen keine Zweifel. Die den Unfall aufnehmenden Polizeibeamten hatten sich von der ordnungsgemäßen Funktionsfähigkeit der Ampelanlage überzeugt. Nach deren Feststellungen ist die Lichtzeichenanlage an der Kreuzung so geschaltet, dass sie für die F- Straße in beiden Fahrtrichtungen gleichzeitig Grünlicht zeigt. Dann aber muss die Beklagte zu 1) in den Kreuzungsbereich eingefahren se...

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