Entscheidungsstichwort (Thema)

Gestattung einer Fachanwaltsbezeichnung

 

Tenor

1. Der Bescheid der Antragsgegnerin vom 30. Oktober 2002 wird aufgehoben.

Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, über den Antrag des Antragstellers auf Gestattung der Führung der Bezeichnung „Fachanwalt für Arbeitsrecht” unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden

2. Die Kosten des Verfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.

3. Die sofortige Beschwerde zum Bundesgerichtshof wird zugelassen

4. Der Gegenstandswert wird auf 12.500,00 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

1.

Der Antragsteller ist in … in einer Sozietät als Rechtsanwalt tätig. Er hat unter dem 5.10.2000 beantragt, ihm die Führung der Bezeichnung „Fachanwalt für Arbeitsrecht” zu gestatten. Mit Bescheid vom 17.7.2001 hat der Vorstand der Antragsgegnerin diesen Antrag zurückgewiesen. Zur Begründung ihres Bescheides hat die Antragsgegnerin im Wesentlichen ausgeführt, dass der Nachweis der praktischen Erfahrungen nicht geführt sei, weil die selbständige Bearbeitung von 100 arbeitsrechtlichen Mandaten – davon mindestens die Hälfte gerichts- oder rechtsförmliche Verfahren – innerhalb der letzten drei Jahre vor Antragstellung nicht nachgewiesen sei (§ 5 Abs. 1 c FAO).

Der Antragsteller hat die gerichtliche Entscheidung über diesen Bescheid beantragt. Nach Vorberatung hat der Senat in mündlicher Verhandlung vom 26.2.2002 die Parteien darauf hingewiesen, dass die Frage des Nachweises der praktischen Erfahrungen nicht nur an Hand der Erfüllung einer bestimmten Fallzahl, sondern auch unter Berücksichtigung der Gewichtung der Fälle zu beantworten sei (§ 5 Abs. 2 FAO), dass aber eine Gewichtung im vorliegenden Fall nicht vorgenommen worden sei. Der Antragsteller hat daraufhin erklärt, dass er bereit sei, evtl. Zweifel in einem Fachgespräch auszuräumen. Daraufhin haben die Parteien auf Vorschlag des Senats einen Vergleich abgeschlossen, in dem sich die Antragsgegnerin verpflichtet hat, den Antragsteller zu einem Fachgespräch zu laden.

2.

Mit Schreiben vom 15.7.2002 hat der Vorsitzende des Fachausschusses „Arbeitsrecht” den Antragsteller auf den 28.8.2002 zu einem Fachgespräch geladen. Die Ladung enthielt folgenden Hinweis:

„Das Fachgespräch wird den gesamten Bereich des Arbeitsrechts zum Inhalt haben”.

Das Fachgespräch hat am 28.8.2002 stattgefunden. Zu Beginn des Fachgespräches hat der Vorsitzende klargestellt, dass sich das Gespräch auf die Gebiete „Individualarbeitsrecht, Arbeitnehmerschutzrechte und kollektives Arbeitsrecht” erstrecke.

Über das Fachgespräch haben die Prüfer abwechselnd Protokoll geführt. Der Inhalt des Protokolls beschränkt sich teilweise auf die Wiedergabe von Stichworten, die Fragestellung und Antwort nicht erschließen. Die Prüfer haben durch die Zeichen (+) und (-) verdeutlicht, ob sie die jeweilige Frage als zutreffend oder falsch beantwortet ansehen. Der Einzelheiten wegen wird auf die drei Niederschriften verwiesen, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind und auch von den Parteien in Augenschein genommen worden sind.

3.

Nach dem Fachgespräch hat der Fachausschuss durch den Berichterstatter dem Vorstand empfohlen, den Antrag auf Führung der Bezeichnung „Fachanwalt für Arbeitsrecht” zurückzuweisen. Mit Bescheid vom 30.10.2002 ist der Vorstand der Antragsgegnerin dieser Empfehlung gefolgt. Zur Begründung hat die Antragsgegnerin ausgeführt, dass der Antragsteller:

  1. nicht in der Lage gewesen sei, die Legaldefinition der Versetzung in der Abgrenzung zur Änderungskündigung richtig darzustellen,
  2. die Legaldefinition der Versetzung (§ 95 Abs. 3 BertrVG) nicht gekannt habe,
  3. den Begriff der Versetzung nicht richtig definiert, vielmehr die Auffassung vertreten habe, dass keine Versetzung vorliege, solange sich die Aufgaben im Rahmen der geschuldeten Arbeitspflicht bewegten,
  4. die rechtlichen Konsequenzen, die sich aus der Mitbestimmung ergäben, falsch beantwortet zu haben,
  5. im Bereich des Schwerbehindertenrechts die Auffassung vertreten habe, dass schon die Antragstellung auf Anerkennung die Zustimmung erfordere,
  6. große Unsicherheit bei der Klärung der Frage gezeigt habe, ob ein Kündigungsschutzverfahren schon auszusetzen sei, wenn über den Antrag noch nicht entschieden sei,
  7. die Behörde falsch bezeichnet habe, an die der Antrag zu richten sei,
  8. die Auffassung vertreten habe, dass nach dem Gesetz eine mündliche Verhandlung zwingend vorgeschrieben sei,
  9. nicht in der Lage gewesen sei, den entscheidenden Unterschied für die außerordentliche gegenüber der ordentlichen Kündigung, dass nämlich ggf. die Zustimmung fingiert werden könne, nicht richtig herausgearbeitet habe,
  10. im Bereich des kollektiven Arbeitsrechts Unsicherheiten bei der Frage der rechtlichen Auswirkungen eines anfechtbaren oder nichtigen Betriebsratsbeschlusses gezeigt habe,
  11. die Frage nach der Wählbarkeit gekündigter Mitarbeiter und die Frage, ob derartig gekündigte Mitarbeiter bereits vor rechtskräftiger Entscheidung im Kündigungsschutzverfahren das Amt noch ausüben durften, falsch beantwort...

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