I. Überblick
Fiktive Terminsgebühr nur bei vorgeschriebener mündlicher Verhandlung
Nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV erhält der Anwalt eine Terminsgebühr unter bestimmten Voraussetzungen auch ohne Wahrnehmung eines Termins i.S.d. Vorbem. 3 Abs. 3 VV. Voraussetzung ist allerdings, dass es sich um ein Verfahren mit vorgeschriebener mündlicher Verhandlung handelt.
Im einstweiligen Verfügungsverfahren ist mündliche Verhandlung vorgeschrieben
Um ein solches Verfahren mit vorgeschriebener mündlicher Verhandlung handelt es sich auch bei einem einstweiligen Verfügungsverfahren. Anders als im Arrestverfahren, bei dem das Gericht immer durch Beschluss entscheiden kann, sodass nach § 128 Abs. 3 ZPO eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist, gilt hier der Grundsatz, dass durch Urteil zu entscheiden ist. Nur in den Ausnahmefällen, dass der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung abzuweisen ist oder eine besondere Dringlichkeit besteht, kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 937 Abs. 2 ZPO). Damit ist aber die Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung als Grundsatz vorgeschrieben. Folglich kommt auch eine fiktive Terminsgebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV in Betracht.
II. Entscheidung ohne mündliche Verhandlung
Keine fiktive Terminsgebühr bei Entscheidung ohne mündliche Verhandlung
Entscheidet das Gericht unter den Voraussetzungen des § 937 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung, weil es die Dringlichkeit bejaht oder weil es den Antrag zurückweist, entsteht keine Terminsgebühr. Zwar handelt es sich – wie ausgeführt – um ein Verfahren mit vorgeschriebener mündlicher Verhandlung; es fehlt hier auch die weitere Voraussetzung, dass die Entscheidung des Gerichts aufgrund der Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung ergeht. In den Fällen des § 937 Abs. 2 ZPO bedarf es nämlich nicht der Zustimmung der Parteien, da das Gericht in diesem Fall von Amts wegen ohne mündliche Verhandlung entscheiden darf. Daher entsteht in diesem Fall keine fiktive Terminsgebühr.
Anders verhält es sich, wenn gegen die einstweilige Verfügung Widerspruch eingelegt worden ist und jetzt ohne mündliche Verhandlung entschieden wird. In diesem Fall ist die mündliche Verhandlung vorgeschrieben, da über den Widerspruch mündlich verhandelt werden muss (§§ 936, 925 Abs. 1 ZPO). Jetzt kann das Gericht nur mit Zustimmung der Beteiligten nach § 128 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Geschieht dies, dann entsteht die Terminsgebühr.
III. Anerkenntnisurteil
Fiktive Terminsgebühr bei Anerkenntnisurteil im schriftlichen Verfahren
Erkennt der Antragsgegner den Verfügungsanspruch an und erlässt daraufhin das Gericht ein Anerkenntnisurteil ohne mündliche Verhandlung, löst dies die Terminsgebühr aus. Im Falle eines Anerkenntnisurteils ist eine Zustimmung der Parteien zur Entscheidung im schriftlichen Verfahren nicht erforderlich.
Im Falle eines Anerkenntnisurteils im schriftlichen Verfahren entsteht (auch) im einstweiligen Verfügungsverfahren eine Terminsgebühr für die Verfahrensbevollmächtigten, weil – was schon ausreicht – ausweislich §§ 128 Abs. 1, 937 Abs. 2 ZPO grundsätzlich "eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben" ist i.S.v. Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV.
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.10.2017 – I-15 W 47/17, AGS 2017, 559 = NJW-Spezial 2017, 763 = RVGreport 2018, 19
Ebenso: OLG Oldenburg NJW 2017, 1250 = AGS 2017, 176 = NJW-Spezial 2017, 252 = RVGreport 2017, 225; OLG Zweibrücken AGS 2015, 16 = NJW-Spezial 2014, 732 = RVGreport 2015, 20
Beispiel
Nach Einreichung des Antrags auf Erlas einer einstweiligen Verfügung (Streitwert: 10.000,00 EUR) erkennt der Antragsgegner den Verfügungsanspruch an. Es ergeht daraufhin ein Anerkenntnisurteil im schriftlichen Verfahren.
Beide beteiligte Anwälte erhalten:
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
|
725,40 EUR |
|
(Wert: 10.000,00 EUR) |
|
|
2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
|
669,60 EUR |
|
(Wert: 10.000,00 EUR) |
|
|
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
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Zwischensumme |
1.415,00 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
268,85 EUR |
|
Gesamt |
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1.683,85 EUR |
IV. Abschluss eines schriftlichen Vergleichs
Fiktive Terminsgebühr auch bei schriftlichem Vergleich
Schließen die Parteien im einstweiligen Verfügungsverfahren einen schriftlichen Vergleich, so entsteht ebenfalls die Terminsgebühr. Voraussetzung für diese Variante der fiktiven Terminsgebühr ist lediglich, dass ein Verfahren mit vorgeschriebener mündlicher Verhandlung zugrunde liegt, was hier der Fall ist.
Beispiel
Nach Einreichung des Antrags auf Erlas einer einstweiligen Verfügung (Streitwert: 10.000,00 EUR) schließen die Parteien, vertreten durch ihre Anwälte, einen schriftlichen Vergleich.
Beide beteiligte Anwälte erhalten:
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
|
725,40 EUR |
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(Wert: 10.000,00 EUR) |
|
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2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
|
669,60 EUR |
|
(Wert: 10.000,00 EUR) |
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3. |
1,0-Einigungsgebühr, Nrn. 1000, 1003 VV |
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558,00 EUR |
|
(Wert: 10.000,00 EUR) |
|
|
4. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
1.973,00 EUR |
|
5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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374,87 EUR |
|
Gesamt |
|
2.347,87 EUR |
AGKompakt 1/2020, S. 10 - ...