I. Problemstellung
Gesonderte Regelung für Kosten des Vergleichs
Schließen die Parteien in einem gerichtlichen Verfahren einen Vergleich, so wird häufig für die Kosten des Rechtsstreits eine andere Verteilung vereinbart als für die Kosten des Vergleichs. Dabei wird in der Regel für die Kosten des Rechtsstreits eine Quote gebildet oder diese Kosten werden vollständig von einer Partei übernommen, während die Kosten des Vergleichs in Anwendung des § 98 ZPO gegeneinander aufgehoben werden. Dies bereitet in der Praxis keine Probleme. Die Einigungsgebühr trägt jede Partei selbst und die übrigen Kosten werden entsprechend der vereinbarten Quote festgesetzt bzw. ausgeglichen.
Problem: Mehrwertvergleich
Probleme bereitet die Kostenerstattung, wenn die Parteien in dem Vergleich auch nicht anhängige Gegenstände geregelt haben, wenn sie also einen sog. Mehrwertvergleich geschlossen haben, und jetzt auch die Kosten des Rechtsstreits quotieren oder eine Partei die Kosten des Rechtsstreits alleine übernimmt, während die Kosten des Vergleichs gegeneinander aufgehoben werden.
II. Abrechnungsbeispiel
Beispiel
Eingeklagt worden sind 15.000,00 EUR. Die Parteien einigen sich unter Beteiligung ihrer Anwälte über die Klageforderung und weitere 8.000,00 EUR, die nicht anhängig sind. Hinsichtlich der Kosten vereinbaren sie, dass die Kosten des Rechtsstreits vom Beklagten zu tragen sind und die Kosten des Vergleichs gegeneinander aufgehoben werden.
1. Gerichtsgebühren
Aufgrund des Vergleichs ermäßigt sich die 3,0-Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen (Nr. 1210 GKG-KostVerz.) gem. Nr. 1211 Nr. 3 Nr. GKG-KostVerz. auf 1,0. Sie berechnet sich nach dem Streitwert der anhängigen Ansprüche, also nach 15.000,00 EUR.
Zusätzliche Vergleichsgebühr
Aus dem Mehrwert des Vergleichs (8.000,00 EUR) entsteht eine weitere 0,25-Gebühr nach Nr. 1900 GKG-KostVerz.
Abzurechnen ist wie folgt:
1. |
1,0-Gebühr, Nrn. 1210, 1211 GKG-KostVerz. |
293,00 EUR |
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(Wert: 15.000,00 EUR) |
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2. |
0,25-Vergleichsgebühr, Nr. 1900 GKG-KostVerz. |
50,75 EUR |
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(Wert: 8.000,00 EUR) |
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Gesamt |
343,75 EUR |
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(die Grenze der Anm. zu Nr. 1900 GKG-KostVerz. i.V.m. § 36 Abs. 3 GKG ist nicht überschritten) |
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2. Anwaltsvergütung
Alle Gebühren entstehen auch aus Mehrwert
Für die beteiligten Anwälte entsteht neben der 1,0-Einigungsgebühr (Nrn. 1000, 1003 VV) aus dem Wert der anhängigen Ansprüche unter Beachtung des § 15 Abs. 3 RVG eine 1,5-Einigungsgebühr (Nr. 1000 VV) aus dem Wert der nicht anhängigen Gegenstände.
Es entsteht darüber hinaus neben der 1,3-Verfahrensgebühr der Nr. 3100 VV nach Nr. 3101 Nr. 2 VV eine 0,8-Verfahrensdifferenzgebühr, wiederum unter Beachtung des § 15 Abs. 3 RVG.
Des Weiteren entsteht auch die 1,2-Terminsgebühr (Nr. 3104 VV) nach einem höheren Wert, nämlich nach dem Gesamtwert unter Einbeziehung der nicht anhängigen Gegenstände.
Abzurechnen ist wie folgt:
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
845,00 EUR |
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(Wert: 15.000,00 EUR) |
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2. |
0,8-Verfahrensgebühr, Nrn. 3100, 3101 VV |
364,80 EUR |
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(Wert: 8.000,00 EUR) |
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gem. § 15 Abs. 3 RVG nicht mehr als |
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1.024,40 EUR |
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1,3-Gebühr aus 23.000,00 EUR |
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3. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
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945,60 EUR |
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(Wert: 23.000,00 EUR) |
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4. |
1,0-Einigungsgebühr, Nrn. 1000, 1003 VV |
650,00 EUR |
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(Wert: 15.000,00 EUR) |
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5. |
1,5-Einigungsgebühr, Nr. 1000 VV |
684,00 EUR |
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(Wert: 8.000,00 EUR) |
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gem. § 15 Abs. 3 RVG nicht mehr als |
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1.182,00 EUR |
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1,5-Gebühr aus 23.000,00 EUR |
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6. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
3.172,00 EUR |
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7. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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602,68 EUR |
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Gesamt |
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3.774,68 EUR |
III. Die Kosten des Vergleichs
Einigungsgebühren zählen zu den Kosten des Vergleichs
Dass sowohl die 1,0-Einigungsgebühr der Nrn. 1000, 1003 VV aus dem Wert der anhängigen 15.000,00 EUR als auch die 1,5-Einigungsgebühr (Nr. 1000 VV) aus dem Wert der nicht anhängigen 8.000,00 EUR zu den Kosten des Vergleichs gehören und damit gegeneinander aufzuheben – also von jeder Partei selbst zu tragen – sind, ist eindeutig. Ebenso eindeutig ist, dass die 0,25-Gerichtgebühr der Nr. 1900 GKG-KostVerz. hälftig zu teilen ist. Wie verhält es sich aber mit den Verfahrens- und der Terminsdifferenzgebühren?
Verfahrens- und Terminsdifferenzgebühren sind unabhängig vom Vergleich
Im Ausgangsfall ließe sich jetzt argumentieren, die Differenzgebühren müssten der Kostenquote folgen, da es sich nicht um Kosten des Vergleichs handele (so noch zur vergleichbaren Lage nach der BRAGO: LG Bonn AGS 1997, 27 = JurBüro 1998, 33 m. Anm. Enders = zfs 1997, 192; OLG Frankfurt AGS 2003, 516). Begründen ließe sich diese Auffassung damit, dass die Differenzgebühren nicht erst mit Abschluss des Vergleichs anfallen, sondern bereits mit Beginn der Einigungsverhandlungen. Sie sind also – im Gegensatz zu den Einigungsgebühren – nicht davon abhängig, dass es tatsächlich zum Vergleich kommt, bzw. der Vergleich Bestand behält. Sie sind vielmehr davon unabhängig und bleiben auch bestehen, wenn es nicht zu Vergleichsanschluss kommt oder der Vergleich widerrufen wird.
Abwandlung
Wie Ausgangsfall,
a) die Vergleichsverhandlungen scheitern, sodass es nicht zum...