Kostenvereinbarung im Vergleich ist oft unklar
Vergleiche, in denen auch weitere nicht anhängige Gegenstände mit geregelt werden, kommen in der Praxis häufig vor. Nicht selten findet sich dann eine Kostenvereinbarung, wonach „die Kosten des Rechtsstreits“ von einer Partei ganz oder überwiegend zu tragen sind, „die Kosten des Vergleichs“ dagegen gegeneinander aufgehoben werden. Regelmäßig entsteht im Kostenfestsetzungsverfahren anschließend Streit, was mit den „Kosten des Vergleichs“ gemeint sei.
Im Räumungsrechtsstreit (10.000,00 EUR) führen die Parteien im Termin Vergleichsverhandlungen und beziehen darin weitere nicht anhängige Forderungen in Höhe von 5.000,00 EUR (Renovierungskosten, Mietkaution, Nebenkostennachzahlung) ein. Es kommt zum Vergleich über alle Forderungen. Hinsichtlich der Kosten vereinbaren die Parteien, dass die Kosten des Rechtsstreits von dem Beklagten getragen werden; die Kosten des Vergleichs werden gegeneinander aufgehoben.
Abzurechnen ist insgesamt wie folgt:
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
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735,80 EUR |
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(Wert: 15.000,00 EUR) |
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2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
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679,20 EUR |
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(Wert: 15.000,00 EUR) |
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3. |
1,0-Einigungsgebühr, Nrn. 1000, 1003 VV |
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(Wert: 10.000,00 EUR) |
486,00 EUR |
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4. |
1,5-Einigungsgebühr, Nr. 1000 VV |
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(Wert: 5.000,00 EUR) |
451,50 EUR |
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gem. § 15 Abs. 3 RVG nicht mehr als 1,5 aus 15.000,00 EUR |
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849,00 EUR |
5. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
2.284,00 EUR |
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6. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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433,96 EUR |
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Gesamt |
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2.717,96 EUR |
Angefallen ist eine volle 1,3-Verfahrensgebühr, da kein Ermäßigungstatbestand der Nr. 3101 VV vorliegt. Selbst wenn man diese Vorschrift anwenden würde, wäre das Ergebnis wegen § 15 RVG letztlich dasselbe.
Eindeutig ist, dass der Beklagte die Kosten tragen muss, soweit sie aus 10.000,00 EUR angefallen sind, allerdings mit Ausnahme der Einigungsgebühr, da diese nur infolge des Vergleichs entstanden ist und die Kosten des Vergleichs gegeneinander aufgehoben worden sind, also von jeder Partei selbst zu tragen sind. Dies ergibt:
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV (Wert: 10.000,00 EUR) |
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631,80 EUR |
2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV (Wert: 10.000,00 EUR) |
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583,80 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
1.215,60 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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230,96 EUR |
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Gesamt |
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1.446,56 EUR |
Zuordnung der Differenzbeträge aus Verfahrens- und Terminsgebühr ist strittig
Problematisch ist, ob die Differenz zwischen Verfahrens- und Terminsgebühr aus dem Wert des Rechtsstreits (10.000,00 EUR) und aus dem Gesamtwert (15.000,00 EUR) zu den Kosten des Vergleichs zählt oder zu den Kosten des Rechtsstreits.
In der Regel werden diese Kosten unreflektiert den Kosten des Vergleichs zugeschlagen, da sie nur dadurch entstanden seien, dass der Vergleich einen Mehrwert habe und folglich neben der Einigungsgebühr auch eine entsprechende Verfahrens- und Terminsgebühr anfallen müsse.
Verfahrens- und Terminsgebühren aus dem Mehrwert sind unabhängig vom Vergleich
Dabei wird jedoch übersehen, dass die Verfahrens- und die Terminsgebühren unabhängig davon sind, ob der Vergleich zustande kommt oder nicht. Wandelt man das Beispiel dahingehend ab, dass die Vergleichsverhandlungen gescheitert wären, dann wären folgende Kosten entstanden:
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
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(Wert: 10.000,00 EUR) |
631,80 EUR |
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2. |
0,8-Verfahrensgebühr, Nrn. 3100, 3101 Nr. 2 VV |
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(Wert: 5.000,00 EUR) |
240,80 EUR |
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gem. § 15 Abs. 3 RVG nicht mehr als 1,3 aus 15.000,00 EUR |
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735,80 EUR |
3. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV (Wert: 15.000,00 EUR) |
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679,20 EUR |
4. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
1.435,00 EUR |
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5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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272,65 EUR |
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Gesamt |
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1.707,65 EUR |
Daraus folgt, dass die Differenzbeträge der Verfahrens- und Terminsgebühren also nicht vom Vergleich abhängig sind, sondern bereits vorher entstehen. Sie werden nämlich bereits durch die Verhandlungen über die nicht anhängigen Gegenstände ausgelöst.
Dennoch sprechen zwei Argumente dafür, diese Kosten von der Erstattung auszunehmen und als gegeneinander aufgehoben anzusehen:
„Kosten des Rechtsstreits“ erfassen nur anhängige Gegenstände
Wie der BGH bereits festgestellt hat, zählen zu den Kosten des Rechtsstreits nur diejenigen Kosten, die aus den anhängigen Gegenständen angefallen sind (AGS 2005, 100 = FamRZ 2005, 604 = Rpfleger 2005, 279 = BGHReport 2005, 679 = JurBüro 2005, 261 = MDR 2005, 656 = AnwBl 2005, 434 = NJW-RR 2005, 1731 = BB 2005, 516 = RVGreport 2005, 114). Soweit Kosten aus nicht anhängigen Gegenständen in eine Kostenerstattung einbezogen werden sollen, bedarf es insoweit vielmehr einer Vereinbarung der Parteien.
Kostenregelung im Vergleich ist auszulegen
Abgesehen davon sind Vergleiche einschließlich ihrer Kostenregelungen nach §§ 157, 133 BGB auszulegen. Diese Auslegung ergibt in der Regel, dass die Parteien sämtliche Kosten, die mit dem Vergleich und dem Mehrwert des Vergleichs verb...