Leitsatz
Schließen die Parteien im sozialgerichtlichen Verfahren außergerichtlich einen schriftlichen Vergleich, so dass sich damit der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, erhält der beteiligte Anwalt neben der Einigungsgebühr auch eine Terminsgebühr nach Nr. 3105 VV.
SG Mannheim, Beschl. v. 18.2.2010 – S 7 SB 554/10 KE
I. Der Fall
In einem sozialgerichtlichen Verfahren stritten die Beteiligten über die Feststellung des Grades einer Behinderung. Sie schlossen später einen Vergleich, der auch eine Erstattungspflicht der Beklagten hinsichtlich der dem Kläger entstandenen Kosten in Höhe von einem Drittel vorsah.
Der Kläger meldete daraufhin durch seinen Prozessbevollmächtigten bei der Beklagten neben einer Verfahrens- und einer Einigungsgebühr auch eine Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV zur Erstattung an und begründete diese wie folgt: Zwar habe kein gerichtlicher Termin stattgefunden; es sei jedoch ein schriftlicher Vergleich geschlossen worden. Hierfür müsse in entsprechender Anwendung der Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV auch in sozialgerichtlichen Verfahren auch eine Terminsgebühr gewährt werden.
Da die Beklagte die Einigungsgebühr freiwillig nicht übernahm, beantragte der Kläger Kostenfestsetzung. Der Rechtspfleger setzte die Terminsgebühr zunächst ab. Die hiergegen erhobene Erinnerung hatte Erfolg.
II. Die Entscheidung
Nr. 3106 VV enthält Regelungslücke
In sozialgerichtlichen Verfahren, in denen sich die Gebühren nach dem Gegenstandswert richten, entsteht eine Terminsgebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV u.a. dann, wenn in einem Verfahren, für das grundsätzlich mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird. In Verfahren vor den Sozialgerichten, in denen Betragsrahmengebühren entstehen, soll die Terminsgebühr hingegen nach dem Wortlaut der Nr. 3106 VV nur entstehen, wenn in dem Verfahren, für das eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden wird, wenn durch Gerichtsbescheid entschieden wird oder wenn das Verfahren nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet. Der schriftliche Vergleich ist hier nicht aufgeführt. Hierbei kann es sich nach Überzeugung der Kammer nur um ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers handeln. Zwar führt der außergerichtliche Vergleich in sozialgerichtlichen Verfahren streng genommen für sich noch nicht zur Prozessbeendigung; allerdings enthält er konkludent eine Erledigung des Rechtsstreits. Es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, eine Terminsgebühr bei Annahme eines Anerkenntnisses (§ 101 SGG) anzuerkennen, nicht aber bei Abschluss eines schriftlichen Vergleichs. Entsprechend ist kein Grund ersichtlich, warum für einen schriftlichen Vergleich in einem gerichtskostenpflichtigen Verfahren die Terminsgebühr anfallen soll und für einen schriftlichen Vergleich in einem nicht gerichtskostenpflichtigen Verfahren dagegen nicht. Auch aus der Gesetzesbegründung ergibt sich, dass der Anwendungsbereich für die Terminsgebühr mit Inkrafttreten des RVG erweitert werden sollte. Der Anwalt sollte so motiviert werden, in jeder Phase des Verfahrens zu einer möglichst frühen, der Sach- und Rechtslage entsprechenden Beendigung des Verfahrens beizutragen und nicht etwa die Anberaumung eines Termins zu einem Vergleichsabschluss im Termin ausschließlich deshalb anzustreben, um die Terminsgebühr auszulösen.
III. Der Praxistipp
Ein Großteil der Rspr. bejaht Terminsgebühr
Die 7. Kammer des SG Mannheim bestätigt damit die Rspr. der 10. Kammer (AGS 2008, 596 = NJW-Spezial 2009, 29 = NJW-RR 2009, 573). Ebenso haben entschieden: SG Stuttgart ASR 2008, 110 = RVGreport 2008, 59; SG Karlsruhe AGS 2007, 456; SG Ulm AGS 2006, 554; SG Duisburg AGS 2006, 319. A.A. ist u.a. das LSG Nordrhein-Westfalen AGS 2009, 328.
Eine Entscheidung des BSG zu dieser Frage steht nach wie vor aus. Ungeachtet dessen wäre eine Klarstellung im Gesetz wünschenswert.