Leitsatz
Eine Gebühr für die Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung ist nur dann erstattungsfähig, wenn eine weitere vollstreckbare Ausfertigung erforderlich und dies vom Gläubiger nicht zu vertreten ist (hier: verneint wegen Gläubigerverschuldens am Verlust des Zwangsvollstreckungstitels).
AG Heilbronn, Beschl. v. 24.1.2007 – 12 M 8196/06
I. Der Fall
Der Gläubiger hatte gegen den Schuldner einen rechtskräftigen Titel erwirkt und daraus die Zwangsvollstreckung betrieben. Später beauftragte er einen anderen Anwalt, weitere Vollstreckungsversuche zu unternehmen. Der neue Anwalt forderte daraufhin bei dem vorherigen Anwalt die Unterlagen an, konnte das Original des Vollstreckungstitels jedoch nicht erhalten. Daraufhin beantragte er gem. § 733 ZPO wegen Verlusts des ursprünglichen Titels eine weitere vollstreckbare Ausfertigung, die auch erteilt wurde. Hiernach leitete er die Zwangsvollstreckung ein und machte dabei auch eine 0,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV für das Verfahren auf Erteilung der weiteren vollstreckbaren Ausfertigung geltend. Der Gerichtsvollzieher weigerte sich, diese Kosten mit beizutreiben, da sie nicht notwendig gewesen seien. Die hiergegen erhobene Erinnerung hatte keinen Erfolg.
II. Die Entscheidung
Nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 RVG (§ 18 Nr. 3 RVG a.F.) ist jede Vollstreckungsmaßnahme einschließlich der sie vorbereitenden Tätigkeiten bis zum Abschluss eine einzige Angelegenheit, so dass insgesamt auch nur eine 0,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV anfällt (Vorbem. 3 Abs. 2 VV).
Etwas anderes gilt dann, wenn bestimmte Maßnahmen nach § 18 Abs. 1 RVG als besondere (Vollstreckungs-) Angelegenheiten anzusehen sind.
Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung ist gesonderte Angelegenheit
Nach § 18 Abs. 1 Nr. 5 RVG (§ 18 Nr. 7 RVG a.F.) ist das Verfahren auf Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung eine gesonderte Gebührenangelegenheit, in der der Anwalt eine gesonderte 0,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV erhält. Insoweit war die Abrechnung also zutreffend.
Zusätzliche Kosten sind grundsätzlich nicht erstattungsfähig
Eine andere Frage ist aber, ob diese weitere Gebühr auch erstattungsfähig ist. Das richtet sich nach § 788 ZPO. Die Maßnahme muss notwendig sein. Für sich betrachtet war die Maßnahme notwendig, da ohne Originalvollstreckungstitel eine Vollstreckung nicht möglich ist. Andererseits war zu berücksichtigen, dass aus der ersten vollstreckbaren Ausfertigung hätte weiter vollstreckt werden können. Daher ist bei der Frage der Notwendigkeit auch zu berücksichtigen, aus welchem Grund die Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung erforderlich geworden ist.
Erstattungsfähigkeit bei unverschuldetem Untergang
Liegt der Verlust der ersten vollstreckbaren Ausfertigung nicht in der Sphäre des Gläubigers, etwa wenn diese beim Gerichtsvollzieher untergeht oder im Postlauf „verschwindet“, dann ist die Erteilung der weiteren vollstreckbaren Ausfertigung notwendig. Die hierbei anfallenden Kosten müssen folglich vom Schuldner auch erstattet werden (AG Leipzig JurBüro 2004, 214).
Anders verhält es sich dagegen, wenn der Verlust der ersten vollstreckbaren Ausfertigung in der Sphäre des Gläubigers liegt, also wenn er z.B. die erste vollstreckbare Ausfertigung verliert. Insoweit muss sich der Gläubiger auch das Verschulden seines Anwalts zurechnen lassen (§ 85 Abs. 2 ZPO). Geht also bei dem beauftragten Anwalt das Original des Vollstreckungstitels unter, dann hat der Gläubiger sich die zusätzlichen Kosten selbst zuzuschreiben und kann diese nicht erstattet verlangen (so auch schon OLG Düsseldorf OLGR 1999, 298; OLG Zweibrücken OLGR 1999, 95 = JurBüro 1999, 160). Gleiches soll gelten, wenn die Anwaltskanzlei des Gläubigers versehentlich die erste vollstreckbare Ausfertigung des Schuldtitels an den Gegnervertreter versendet (OLG München JurBüro 1992, 431).