Leitsatz
Im einstweiligen Anordnungsverfahren bemisst sich die Verfahrensgebühr der Nr. 3102 VV nach dem vollen Rahmen (Nr. 3102 VV) und nicht aus dem nach Nr. 3103 VV ermäßigten Gebührenrahmen, wenn nicht zuvor ein Verfahren nach § 86a Abs. 3 SGG vor der Verwaltungsbehörde durchgeführt worden ist.
SG Gelsenkirchen, Beschl. v. 2.1.2010 – S 27 SF 3/10 E
I. Der Fall
Der Antragsteller hat vor dem SG den Erlass einer einstweiligen Anordnung durch seinen Anwalt beantragen lassen. Der Anwalt war bereits im Widerspruchsverfahren tätig und hatte parallel auch Anfechtungsklage zur Hauptsache erhoben.
Im Rahmen der Kostenfestsetzung entstand Streit darüber, ob die Verfahrensgebühr für das einstweilige Anordnungsverfahren aus dem Rahmen der Nr. 3102 VV oder aus dem ermäßigten Rahmen der Nr. 3103 VV zu bemessen sei. Das Gericht hat die Gebühr aus dem vollen Rahmen der Nr. 3102 VV festgesetzt.
II. Die Entscheidung
Einstweiliges Anordnungsverfahren ist eigene selbstständige Angelegenheit
Das einstweilige Anordnungsverfahren ist gegenüber dem Hauptsacheverfahren gem. § 17 Nr. 4 RVG eine eigene selbstständige Angelegenheit. Ein parallel dazu oder bereits zuvor eingeleitetes Verwaltungs- oder Widerspruchsverfahren ist nicht als Vorverfahren zu dem einstweiligen Anordnungsverfahren zu werten, sondern als Vorverfahren zur Hauptsache, so dass im einstweiligen Anordnungsverfahren eine Ermäßigung der Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV nicht angebracht ist.
Ermäßigung nur bei vorangegangenen Verfahren nach § 86a Abs. 3 SGG
Zu einer Ermäßigung des Gebührenrahmens nach Nr. 3103 VV gelangt man nur, wenn auch dem Anordnungsverfahren ein Verwaltungsverfahren vorangegangen ist, nämlich ein Verfahren nach § 86a Abs. 3 SGG, da dann dem Verwaltungsverfahren und dem gerichtlichen Verfahren derselbe Gegenstand zugrunde liegt.
III. Der Praxistipp
Die Entscheidung ist zutreffend und berücksichtigt, dass nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes sowohl außergerichtlich (siehe § 17 Nr. 1 RVG) als auch gerichtlich (siehe § 17 Nr. 4 RVG) Hauptsache- und Eilverfahren verschiedene Angelegenheiten darstellen, die gebührenrechtlich gesondert zu vergüten sind. Daher kann in Sozialsachen eine Ermäßigung der Verfahrensgebühr in der Hauptsache nur dann vorgenommen werden, wenn der Anwalt auch in der Hauptsache bereits im Verwaltungs- oder Widerspruchsverfahren tätig war und im einstweiligen Anordnungsverfahren nur, wenn er auch im Hinblick auf eine vorläufige Regelung vor der Verwaltungsbehörde tätig war.
Nach überwiegender Rspr. keine Ermäßigung
Ebenso entschieden haben bereits:
|
SG Berlin NJW-Spezial 2009, 461; Beschl. v. 22.2.2010 – S 165 SF 949/09 E, |
|
SG Schleswig AGS 2010 = ASR 2010, 55, |
|
SG Lüneburg, Beschl. v. 30.3.2009 – S 12 SF 177/08, |
|
SG Oldenburg AGS 2006, 506, |
|
SG Frankfurt AGS 2006, 551 = ASR 2007, 47, |
|
LSG Nordrhein-Westfalen, 9.8.2007 – L 20 B 91/07 AS, |
|
LSG Thüringen, Beschl. v. 6.3.2008 – L 6 B 198/07 SF, |
|
SG Dessau-Roßlau AGS 2010, 176. |