Fraglich, ob 110 %-Grenze auch für Einigungsgebühr gilt

Häufig kommt es vor, dass die Mehrkosten des Unterbevollmächtigten ohne Einigungsgebühr noch innerhalb der 110 %-Grenze liegen, die Kosten des Unterbevollmächtigten mit Einigungsgebühr jedoch darüber. Man fragt sich dann, ob auch insoweit die 110 %-Grenze anzuwenden ist.

Einigungsgebühr hat bei Prognose außer Betracht zu bleiben

Nach zutreffender Ansicht muss die Einigungsgebühr bei der Prüfung der Erforderlichkeit außer Betracht bleiben, da die Partei sich zu Beginn des Rechtsstreits entscheiden muss, ob sie einen Unterbevollmächtigten beauftragt oder nicht, und in dieser Phase nicht vorherzusehen ist, ob es zu einem Vergleichsschluss kommt. Haben die voraussichtlichen Mehrkosten des Unterbevollmächtigten – ohne Einigungsgebühr – innerhalb der 110 %-Grenze gelegen, dann ist auch die zusätzliche Einigungsgebühr erstattungsfähig, selbst wenn dadurch die 110-% Grenze überschritten wird (OLG München AGS 2008, 52 u. 102 = JurBüro 2007, 595 = RVGreport 2007, 392 = NJW-Spezial 2008, 60; in diesem Sinne jetzt auch BGH, Beschl. v. 10.7.2012 – VIII ZB 106/11).

 

Beispiel

In einem Rechtsstreit über 8.000,00 EUR schließt der Terminsvertreter einen Vergleich unter dem Vorbehalt des Widerrufs und unterrichtet den Prozessbevollmächtigten. Dieser bespricht die Sache mit der Partei und rät vom Widerruf ab. Der Vergleich wird bestandskräftig.

Der Terminsvertreter hat die Einigungsgebühr durch den Abschluss des Widerrufsvergleichs verdient. Der Prozessbevollmächtigte hat ebenfalls eine Einigungsgebühr verdient, da das Abraten vom Widerruf bereits die Einigungsgebühr auslöst.

I. Prozessbevollmächtigter (Wert: 8.000,00 EUR)

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV   535,60 EUR
2. 1,0-Einigungsgebühr, Nrn. 1000, 1003 VV   412,00 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 967,60 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   183,84 EUR
Gesamt 1.151,44 EUR

II. Terminsvertreter (Wert: 8.000,00 EUR)

 
1. 0,65-Verfahrensgebühr, Nrn. 3401, 3100 VV   267,80 EUR
2. 1,2-Terminsgebühr, Nrn. 3402, 3104 VV   494,40 EUR
3. 1,0-Einigungsebühr, Nrn. 1000, 1003 VV   412,00 EUR
4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.194,20 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   226,90 EUR
Gesamt 1.421,10 EUR

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