Leitsatz
1. Beauftragt die Partei neben dem Hauptbevollmächtigten einen Terminsvertreter für die Wahrnehmung des auswärtigen Verhandlungstermins und wirken beide Anwälte an einer Einigung mit, entsteht für beide Anwälte die Einigungsgebühr nach Nrn. 1000, 1003 VV.
2. Die doppelte Einigungsgebühr ist jedenfalls dann erstattungsfähig, wenn die Mehrkosten des Unterbevollmächtigten die ersparten fiktiven Reisekosten des Hauptbevollmächtigten nicht wesentlich übersteigen.
LG Osnabrück, Beschl. v. 29.7.2011 – 7 O 388/11
1 I. Der Fall
Die Partei hatte für den auswärtigen Verhandlungstermin neben ihrem Prozessbevollmächtigten einen Terminsvertreter bestellt. Dieser schloss im Termin einen Vergleich unter Widerrufsvorbehalt. Der Hauptbevollmächtigte prüfte den ausgehandelten Vergleich und riet der Partei, den Vergleich zu akzeptieren und nicht zu widerrufen, was dann auch geschah. Nachfolgend meldete die Partei u.a. zwei Einigungsgebühren zur Kostenfestsetzung an, eine für den Hauptbevollmächtigten und eine für den Unterbevollmächtigten. Beide Einigungsgebühren wurden antragsgemäß festgesetzt.
2 II. Die Entscheidung
Einigungsgebühr kann für jeden Anwalt entstehen
Eine Einigungsgebühr entsteht für die Mitwirkung an einer Einigung. Sie ist dabei nicht auf den Hauptbevollmächtigten beschränkt. Auch sonstige beteiligte Anwälte (Terminsvertreter, Verkehrsanwalt) können durch entsprechende Mitwirkung die Einigungsgebühr verdienen. Das ergibt sich schon aus der Stellung der Einigungsgebühr in Teil 1 VV (Allgemeine Gebühren).
Hier hatte der Unterbevollmächtigte die Einigungsgebühr verdient, da er den Widerrufsvergleich im Termin ausgehandelt hatte.
Der Hauptbevollmächtigte wiederum hat die Einigungsgebühr dadurch verdient, dass er den widerruflichen Vergleich geprüft und von einem Widerruf abgeraten hat. Damit hat er die volle Verantwortung für den Inhalt des Vergleichs übernommen.
Doppelte Einigungsgebühr ist erstattungsfähig
Die doppelte Einigungsgebühr ist auch erstattungsfähig (ebenso OLG München JurBüro 2009, 487 = RVGreport 2009, 315 = FamRZ 2009, 1782 = FamRB 2009, 345; AGS 2008, 52 u. 102 = JurBüro 2007, 595 = RVGreport 2007, 392 = NJW-Spezial 2008, 60; AG Köln AGS 2007, 133 = AnwBl 2007, 239 = JurBüro 2007, 132; a.A. OLG Zweibrücken AGS 2004, 497 = OLGR 2004, 444 = RVGreport 2004, 192). Wird ein Unterbevollmächtigter eingeschaltet, so sind die durch seine Beauftragung entstehenden Mehrkosten zu erstatten, wenn sie die Reisekosten, die zu erstatten gewesen wären, wenn der Hauptbevollmächtigte selbst zum Termin gefahren wäre, nicht wesentlich überschreiten. Ein wesentliches Überschreiten wiederum wird angenommen, sobald die Mehrkosten des Unterbevollmächtigten die ersparten Reisekosten um mehr als 10 % übersteigen (BGH AGS 2003, 97 = Rpfleger 2003, 98 = MDR 2003, 233 = FamRZ 2003, 441 = JurBüro 2003, 202 = AnwBl 2003, 309 = NJW 2003, 898). Als unwesentlich werden dabei Überschreitungen von bis zu 10 % angesehen (BGH AGS 2003, 97 = Rpfleger 2003, 98 = MDR 2003, 233 = FamRZ 2003, 441 = JurBüro 2003, 202 = AnwBl 2003, 309 = NJW 2003, 898; RVGreport 2004, 74; LG Köln AGS 2005, 524 = JurBüro 2005, 654; OLG Bamberg AGS 2007, 49 = JurBüro 2006, 541 = Rpfleger 2007, 47).
Hier lagen die Mehrkosten des Terminsvertreters (0,65-Verfahrensgebühr + 1,0-Einigungsgebühr) zuzüglich Auslagen und Umsatzsteuer) noch unter den ersparten Reisekosten, so dass an der Erstattungsfähigkeit keine Zweifel bestanden.
3 III. Der Praxistipp
Fraglich, ob 110 %-Grenze auch für Einigungsgebühr gilt
Häufig kommt es vor, dass die Mehrkosten des Unterbevollmächtigten ohne Einigungsgebühr noch innerhalb der 110 %-Grenze liegen, die Kosten des Unterbevollmächtigten mit Einigungsgebühr jedoch darüber. Man fragt sich dann, ob auch insoweit die 110 %-Grenze anzuwenden ist.
Einigungsgebühr hat bei Prognose außer Betracht zu bleiben
Nach zutreffender Ansicht muss die Einigungsgebühr bei der Prüfung der Erforderlichkeit außer Betracht bleiben, da die Partei sich zu Beginn des Rechtsstreits entscheiden muss, ob sie einen Unterbevollmächtigten beauftragt oder nicht, und in dieser Phase nicht vorherzusehen ist, ob es zu einem Vergleichsschluss kommt. Haben die voraussichtlichen Mehrkosten des Unterbevollmächtigten – ohne Einigungsgebühr – innerhalb der 110 %-Grenze gelegen, dann ist auch die zusätzliche Einigungsgebühr erstattungsfähig, selbst wenn dadurch die 110-% Grenze überschritten wird (OLG München AGS 2008, 52 u. 102 = JurBüro 2007, 595 = RVGreport 2007, 392 = NJW-Spezial 2008, 60; in diesem Sinne jetzt auch BGH, Beschl. v. 10.7.2012 – VIII ZB 106/11).
Beispiel
In einem Rechtsstreit über 8.000,00 EUR schließt der Terminsvertreter einen Vergleich unter dem Vorbehalt des Widerrufs und unterrichtet den Prozessbevollmächtigten. Dieser bespricht die Sache mit der Partei und rät vom Widerruf ab. Der Vergleich wird bestandskräftig.
Der Terminsvertreter hat die Einigungsgebühr durch den Abschluss des Widerrufsvergleichs verdient. Der Prozessbevollmächtigte hat ebenfalls eine Einigungsgebühr verdient, da das Abraten vom Widerruf bereits die Einigu...