Einführung
Fiktive Terminsgebühr bei Abschluss eines schriftlichen Vergleichs
Kommt es in einem zivilgerichtlichen Verfahren zum Abschluss eines schriftlichen Vergleichs, kann schon allein dadurch eine sog. fiktive Terminsgebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV entstehen, ohne dass es zuvor zu einem gerichtlichen Termin gekommen ist oder dass eine Besprechung zur Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens stattgefunden hat. Erforderlich ist allerdings, dass im Verfahren eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist. Der nachfolgende Beitrag soll einen Überblick über die verschiedenen Verfahren und Verfahrensstadien geben.
I. Erstinstanzliche Erkenntnisverfahren
Mündliche Verhandlung vorgeschrieben
In den erstinstanzlichen Erkenntnisverfahren vor den Zivilgerichten ist eine mündliche Verhandlung grundsätzlich vorgeschrieben (§ 128 Abs. 1 ZPO), so dass hier bei Abschluss eines schriftlichen Vergleichs die Terminsgebühr ausgelöst wird.
Hauptanwendungsfall ist der nach § 278 Abs. 6 ZPO vom Gericht festgestellte Vergleich.
Wird in einem in erster Instanz geführten Zivilprozess über den rechtshängigen Anspruch (auf Vorschlag des Gerichts) ein schriftlicher Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO geschlossen, entsteht für die beauftragten Prozessbevollmächtigten neben einer 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV und einer 1,0-Einigungsgebühr nach Nr. 1003 VV eine 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV.
BGH, Beschl. v. 3.7.2006 – II ZB 31/05, AGS 2006, 488 = AnwBl 2006, 676 = Rpfleger 2006, 624 = NJW-RR 2006, 1507 = BRAK-Mitt 2006, 287 = MDR 2007, 179 = FamRZ 2006, 1373 = RVGprof. 2006, 163 = RVGreport 2006, 387 = NJW 2007, 160
Wird über einen rechtshängigen Anspruch ein schriftlicher Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO geschlossen, entsteht für die Prozessbevollmächtigten auch eine Terminsgebühr (Bestätigung von BGH, Beschl. v. 3.7.2006 – II ZB 31/05).
BGH, Beschl. v. 22.2.2007 – VII ZB 101/06, AGS 2007, 341 = AnwBl 2007, 462 = Rpfleger 2007, 431 = JurBüro 2007, 360 = MDR 2007, 917 = NJW-RR 2007, 1149 = FamRZ 2007, 1013 = BRAK-Mitt 2007, 127 = RVGreport 2007, 229
Beispiel 1: Schriftlicher Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO
Eingeklagt sind 6.000,00 EUR. Nach Eingang der Klageerwiderung schlägt das Gericht vor, die Parteien mögen sich dahingehend einigen, dass der Beklagte zum Ausgleich der Klageforderung 4.000,00 EUR zahle. Beide Parteien stimmen dem zu, ohne dass es zu einer mündlichen Verhandlung oder zu Besprechungen der Anwälte kommt. Das Gericht beschließt sodann nach § 278 Abs. 6 ZPO das Zustandekommen des Vergleichs.
Die Anwälte erhalten neben einer 1,3-Verfahrensgebühr und einer 1,0-Einigungsgebühr auch eine 1,2-Terminsgebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV.
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
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460,20 EUR |
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(Wert: 6.000,00 EUR) |
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2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
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424,80 EUR |
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(Wert: 6.000,00 EUR) |
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3. |
1,0-Einigungsgebühr, Nrn. 1000, 1003 VV |
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354,00 EUR |
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(Wert: 6.000,00 EUR) |
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4. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
1.259,00 EUR |
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5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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239,21 EUR |
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Gesamt |
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1.498,21 EUR |
Privatschriftlicher Vergleich reicht aus
Für die Terminsgebühr ist es nicht erforderlich, dass das Zustandekommen des Vergleichs nach § 278 Abs. 6 ZPO protokolliert wird. Die Terminsgebühr entsteht schon dann, wenn ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird. Das kann auch ein privatschriftlicher Vergleich sein (N. Schneider, Terminsgebühr bei Abschluss eines schriftlichen Vergleichs, NJW-Spezial 2014, 283; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, Nr. 3104 Rn 69).
Schließen die Parteien während des Rechtsstreits außergerichtlich einen Vergleich und erklären sie deshalb den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt, fällt eine Terminsgebühr an, wenn das Gericht einen Beschluss nach § 91a ZPO ohne mündliche Verhandlung erlässt und auch zuvor eine solche nicht stattgefunden hatte.
OLG Köln, Beschl. v. 6.4.2016 – I-17 W 67/16, AGS 2016, 391 = RVGreport 2016, 259 = Rpfleger 2016, 609 = zfs 2016, 525 = JurBüro 2016, 467 = NJW-Spezial 2016, 540 = RVGprof. 2016, 171
Schließen die Parteien während des laufenden Rechtsstreits, ohne dass bisher verhandelt wurde, einen Vergleich, aufgrund dessen der Kläger die Klage zurückzunehmen hat, fällt eine Terminsgebühr an, auch wenn das Gericht ohne mündliche Verhandlung einen Beschluss nach § 269 ZPO erlässt.
OLG Köln, Beschl. v. 20.6.2016 – I-17 W 98/16, AnwBl 2016, 934 = MDR 2017, 180 = FamRB 2017, 2
Beispiel 2: Privatschriftlicher Vergleich
Eingeklagt sind 6.000,00 EUR. Anschließend bietet der Anwalt des Beklagten dem Kläger schriftlich an, 4.000,00 EUR zu zahlen, wenn die Klage zurückgenommen werde. Der Anwalt des Klägers erklärt sich damit einverstanden.
Abzurechnen ist wie im vorangegangenen Beispiel 1.
Keine Terminsgebühr bei bloßem Kostenvergleich
Wird ein schriftlicher Vergleich über Gegenstände geschlossen, über die es im Falle einer Entscheidung eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben ist, bzw. über die das Gericht auch ohne Zustimmung der Parteien ohne mündliche Verhandlung entscheiden k...