Für Hauptbevollmächtigten und Terminsvertreter kann unterschiedliches Recht gelten
Im Falle einer Terminsvertretung kann es in Übergangsfällen zu "gespaltenem Kostenrecht" kommen, also dass der Terminsvertreter nach einer anderen Gesetzesfassung abrechnet als der Hauptbevollmächtigte.
Auch wenn der Terminsvertreter die hälftige Verfahrensgebühr des Hauptbevollmächtigten erhält (Nr. 3401 VV), ist es nicht zwingend, dass beide Anwälte nach demselben Gebührenrecht abrechnen. Vielmehr gilt für jeden der beiden Anwälte die Vorschrift des § 60 Abs. 1 S. 1 RVG. Maßgebend ist also, wann jeweils der unbedingte Auftrag erteilt worden ist. In aller Regel wird der Auftrag an den Terminsvertreter später erteilt als der Auftrag an den Hauptbevollmächtigten. In diesen Fällen kann es vorkommen, dass der Hauptbevollmächtigte noch nach altem Recht abrechnet, der Terminsvertreter dagegen bereits nach neuem Recht.
Beispiel
Der Hauptbevollmächtigte hat im Dezember 2020 auftragsgemäß Klage eingereicht. Im Januar 2021 wird der Terminsvertreter beauftragt, den Termin vor dem auswärtigen Gericht wahrzunehmen. Der Streitwert beträgt 8.000,00 EUR. Es kommt dann im Januar 2021 zur mündlichen Verhandlung.
Der Hauptbevollmächtigte rechnet gem. § 60 Abs. 1 S. 1 RVG nach den alten Gebührenbeträgen ab, da ihm der Auftrag vor dem 1.1.2021 erteilt worden ist. Er erhält also eine 1,3-Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV) nach altem Recht:
I. Prozessbevollmächtigter nach altem Recht |
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
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592,80 EUR |
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(Wert: 8.000,00 EUR) |
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2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
612,80 EUR |
3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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116,43 EUR |
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Gesamt |
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729,23 EUR |
Der Terminsvertreter rechnet dagegen bereits nach den neuen Gebührenbeträgen ab, da ihm der Auftrag erst nach dem 31.12.2020 erteilt worden ist. Er erhält also eine 0,65-Verfahrensgebühr (Nrn. 3401, 3100 VV) sowie eine Terminsgebühr (Nrn. 3402, 3104 VV) nach neuem Recht:
II. Terminsvertreter nach neuem Recht |
1. |
0,65-Verfahrensgebühr, Nrn. 3401, 3100 VV |
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326,30 EUR |
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(Wert: 8.000,00 EUR) |
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2. |
1,2-Terminsgebühr, Nrn. 3402, 3104 VV |
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602,40 EUR |
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(Wert: 8.000,00 EUR) |
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3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
948,70 EUR |
4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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180,25 EUR |
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Gesamt |
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1.128,95 EUR |
Umgekehrter Fall ist ebenso möglich
Denkbar ist auch der umgekehrte Fall, dass der Terminsvertreter vor dem Hauptbevollmächtigten beauftragt wird. Dann würde der Hauptbevollmächtigte nach neuem Recht abrechnen, der Terminsvertreter dagegen noch nach altem Recht.
AGKompakt 11/2020, S. 117